° Fallen die Chinesen über den Weizenmarkt der USA her ?
Fallen die chinesischen Einkäufer nun auch über den Weizenmarkt in den USA her ? – Gute Gründe sprechen dafür
(16.12.2003) Die Märkte für Getreide und Ölsaaten bieten in diesen Tagen im allgemeinen ein gemischtes Bild. Nur Mais zeichnet sich in Chikago durch beharrliche Preissteigerungen aus. Die überwiegend indifferente Lage hat zu einem großen Teil saisonale Gründe. Die kommerziellen Marktteilnehmer ziehen sich wegen des nahenden Jahresendes langsam zurück und halten nur noch die dringend erforderlichen Positionen.
Zum anderen aber harrt Chikago der chinesischen Einkaufsdelegation, von der sich die amerikanischen Erzeuger und Exporteure einige üppige Weihnachtsgeschenke erhoffen. Die Erwartungen sind im allgemeinen zwar nicht sehr hoch gesteckt, doch sind sie hoch genug, um Enttäuschungen auslösen zu können.
Ein Indiz für Enttäuschungsrisiken kann man darin sehen, dass zuletzt immer wieder vage auch über chinesische Maisbuchungen in den USA gemutmaßt wurde. In diesem Punkt scheint unter den derzeit überschaubaren Bedingungen der Boden des Realistischen verlassen worden zu sein.
Zusätzlicher umfangreicher chinesischer Buchungen von Sojabohnen ist man sich in Chikago sicher. Diese Überzeugung stützt sich unter anderem auf den Umstand, dass die Delegation aus China auch Vertreter von Ölmühlen umfasst.
Entscheidend für die Stimmung wird letztlich sein, ob die Chinesen auch Weizen bestellen und, wenn ja, in welchen Mengen. Gemunkelt wird von 1 Million Tonnen. Würden es weniger, wäre das enttäuschend.
Um die Dimensionen für möglichen chinesischen Weizenbedarf abzustecken, nehmen wir die jüngsten Zahlen des Landwirtschaftsministeriums in Washington (USDA). Die chinesische Ernte soll 2003/04 gegenüber der vergangenen Saison von 90,29 Millionen Tonnen auf 87 Millionen Tonnen gesunken sein. Der Verbrauch soll ebenfalls zurückgehen, und zwar von 105,2 Millionen Tonnen auf 104,5 Millionen Tonnen. Das USDA erwartet daher, dass der chinesische Weizenvorrat in der laufenden Saison von 60,38 Millionen Tonnen auf 42,58 Millionen Tonnen schrumpft.
Die Berechnung des Bestands wirft einige Fragen auf. Zuvorderst muss beantwortet werden, wie hoch der Teil der Bestände an Weizen ist, der nicht mehr ohne weiteres für die menschliche Ernährung verwendet werden kann. Experten schätzen den Anteil auf etwa zwei Drittel. Durch Mischung mit Qualitätsweizen ist zwar noch einiges von dieser Menge zu „retten“, doch erscheint es kaum möglich, dass damit die Versorgung gesichert werden kann.
Die Annahme des USDA, dass der chinesische Weizenverbrauch in der laufenden Saison sinken könnte, erscheint, gelinde gesagt, sehr mutig. Sie ist wohl nur aus dem Bestreben heraus zu erklären, dass das Ministerium die Verbrauchsseite der gesamten Weizenbilanz trimmen wollte, um die Knappheit nicht ganz so krass erscheinen zu lassen. Übrigens setzt sich bei der Schätzung des Weltverbrauchs jetzt von Monat zu Monat mehr Realitätssinn durch, denn die Prognosen steigen nach einem unvertretbaren Rückgang wieder.
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie der Weizenverbrauch in China zurückgehen kann, wo doch zugleich auch die Reisvorräte dort drastisch schwinden. Das USDA erwartet für die laufende Saison eine Abnahme von 67,27 Millionen Tonnen auf 48,02 Millionen Tonnen (Basis Mühlenreis).
Die chinesischen Bestände sowohl an Weizen als auch an Reis nähern sich unter Berücksichtigung qualitativer Aspekte einem Niveau, das im Verhältnis zum Bedarf als kritisch bezeichnet werden kann. Die Planer in Peking werden es nicht riskieren, sie noch nennenswert weiter sinken zu lassen, zumal nichts, aber auch überhaupt nichts dafür spricht, dass der Weizenvorrat 2004/05 aus der eigenen Produktion aufgestockt werden kann.
Die Chinesen wissen zudem sehr genau, wie angespannt die Situation auf dem Weltmarkt für Weizen auch in der kommenden Saison bleiben wird. Daher werden sie wohl kein Risiko eingehen und sich in größeren Mengen amerikanische Ware sichern. Zahlungsprobleme haben sie wegen ihrer massiven Dollar-Reserven nicht. Ein Währungsrisiko kennen sie auch nicht, solange sie ihren Renminbi im bisherigen Verhältnis an den Dollar geknüpft lassen.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)