° Weizen: Alarmsignale werden noch unterdrückt
Am Weizenmarkt werden die Alarmsignale noch unterdrückt – Die Versorgungslage spitzt sich immer weiter zu
(13.06.2003) Weizen verdient nicht nur aus jahreszeitlichen Gründen erhöhte Aufmerksamkeit. Vielmehr muss sie sich jetzt mehr denn je in der jüngeren Vergangenheit auch auf die statistische Situation richten. Dabei ist zu beachten, dass sich die statistischen Verhältnisse in den USA, wenn man sie einmal isoliert betrachten will, deutlich von den Gegebenheiten im Rest der Welt unterscheiden. Und diese isolierte Betrachtung pflegen die amerikanischen Kommentatoren jetzt wieder einmal. Sie sprechen von baisseträchtigen fundamentalen Bedingungen für den US-Markt und konzedieren nur am Rande, dass es am Weltmarkt anders aussieht. Die Preisentwicklung an den US-Märkten lässt vermuten, dass sie umdenken müssen.
Sollte dies nicht geschehen, kann sich die einseitige Ausrichtung auf den US-Markt im Gegensatz zu früheren Jahren als schwerer Fehler erweisen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die sich höchstwahrscheinlich fortsetzende Baisse des US-Dollar. Diese Baisse erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Exporteure. Die Weizenausfuhren aus den USA könnten 2003/04 (Juni/Mai) daher weit über den offiziellen Ansätzen liegen, was nicht ohne Folgen für die Preise an den US-Märkten bleiben würde.
Das Landwirtschaftsministerium in Washington (USDA) hat die gesamte Weizenernte 2003/04 in den USA zuletzt auf 59,23 Millionen Tonnen geschätzt. 2002/03 wurden nur 43,99 Millionen Tonnen erzeugt. Das USDA erwartet, dass sich der US-Export von 23,41 Millionen Tonnen auf 25,86 Millionen Tonnen erhöht. Der Weizenbestand in den USA dürfte nach den Berechnungen des Ministeriums in der Weltsaison 2003/04 (Juli/Juni) von 12,73 Millionen Tonnen auf 16,44 Millionen Tonnen wachsen. Selbst geringfügige Verschiebungen beim Export könnten die Vorratslage im Land gravierend verändern. Hier liegt eine bedeutende Quelle potentieller Überraschungen.
Über allem Gerede amerikanischer Kommentatoren zur Lage am heimischen Weizenmarkt geht offenkundig unter, dass das USDA 2003/04 einen weiteren Rückgang der Weltproduktion erwartet. Sie soll gegenüber der auslaufenden Saison von 564 Millionen Tonnen auf 561,45 Millionen Tonnen sinken. Dem steht ein erwarteter Rückgang des Weltverbrauchs von 596,88 Millionen Tonnen auf 589,93 Millionen Tonnen gegenüber. Der Weltbestand an Weizen soll in der neuen Saison von 165,09 Millionen Tonnen auf 136,61 Millionen Tonnen schrumpfen. Diese Prognose wäre noch geringer ausgefallen, wenn das USDA den Weizenüberhang in der EU am Ende der laufenden Saison gegenüber Mai nicht von 7,37 Millionen Tonnen auf 11,9 Millionen Tonnen angehoben hätte.
Unter dem Strich gilt also, dass die statistische Lage am Weltmarkt gegenüber Mai über alle Erwartungen hinaus an Brisanz zugenommen hat. Und dabei haben die Zahlen des USDA noch einige gravierende Schwachstellen. So erscheinen die kanadische und die australische Ernte mit 24 beziehungsweise 23 Millionen Tonnen noch zu hoch angesetzt. Auch die Prognose für die EU könnte mit 101 Millionen Tonnen überzogen sein. Zu den Schwachstellen zählt vor allem aber die Annahme des USDA, dass der Weltverbrauch stark sinken wird. Wir argwöhnen, dass die Statistiker des Ministeriums an dieser Variablen bewusst "gedreht" haben, um keinen Schock entstehen zu lassen. Jedenfalls wären wir nicht verwundert, wenn der Ansatz für den Verbrauch in den nächsten Berichten Schritt für Schritt nach oben revidiert würde.
Bei allem muss noch beachtet werden, dass am Markt für Reis 2003/04 ein weiteres Defizit ensteht, das den Weltvorrat auf ein extrem kritisches Niveau sinken lässt. Auch bei Futtergetreide sieht es sehr angespannt aus, so dass in einigen Regionen der Welt wohl Futterweizen herhalten muss, um das Angebot hier zu ergänzen. Beide Aspekte hat das USDA unserer Meinung nach bis jetzt nicht angemessen berücksichtigt.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)