Richard Ebert
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° Weizen: Die Brisanz nimmt unausweichlich zu

(02.05.2003) Die Situation am Weizenmarkt ist seit langem brisant. Statistisch, aber offenkundig nicht tatsächlich. Der feine Unterschied in der Definition erklärt sich mit der unterschiedlichen Wahrnehmung der Verhältnisse. Wer auf die Statistiken blickt, kann Preise ohne weiteres rechtfertigen, die etwa um das Doppelte höher liegen als die heute herrschenden.

Nichts ist fehlbarer als Statistiken, wie wir alle wissen. Bei Weizen ist jedoch zu beachten, dass die Statistiken seit geraumer Zeit beharrlich in eine Richtung weisen: Knappheit. Allein diese beständige, immer wieder aufs Neue erhärtete Aussage der Statistiken verleiht ihnen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Das ignoriert der Markt offenkundig.

Die Situation bei Weizen ähnelt der, die am Ölmarkt herrscht: Das gegenwärtige Angebot ist reichlich, aber die Vorräte sind extrem gering. Beide Märkte weigern sich, die mittel- bis längerfristigen Aspekte zur Kenntnis zu nehmen. Offenbar steht dahinter die Vorstellung, im Zweifelsfall werde es schon gut gehen.

Das Risiko, dass es bei Weizen doch nicht gut geht, ist enorm. Dies hat der Internationale Getreiderat (IGC) eben erst wieder dargelegt. Er nahm seine Schätzung der Weltproduktion 2002/03 (Juli/Juni) gegenüber März um 1 Million Tonnen auf 566 Millionen Tonnen zurück. 2001/02 sollen 580 Millionen Tonnen erzeugt worden sein.

Zugleich hat der Rat seine Schätzung des Weltverbrauchs gegenüber März um 4 Millionen Tonnen auf den Rekord von 599 Millionen Tonnen angehoben. 2001/02 Millionen sollen 586 Millionen Tonnen verbraucht worden sein.

Dies alles schlägt sich darin nieder, dass der Weltvorrat an diesem wichtigsten Nahrungsgetreide in der laufenden Saison von 194 Millionen Tonnen auf 161 Millionen Tonnen schrumpfen dürfte. Es bleibt daran zu erinnern, dass eine umfassende Revision der Zahlen für China seitens des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) im vergangenen Jahr zu einem massiven Bestandszuwachs führte.

Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass das entdeckte zusätzliche Angebot in China überwiegend aus Weizen von minderer Qualität bestand, der nur als Futtergetreide verwendet werden kann. Fachleute vermuten, dass mindestens ein Drittel, eher aber fast die Hälfte der statistisch noch verfügbaren Vorräte auf Ware von unterschiedlicher Qualität entfällt. Dies ist die eigentliche, offenkundig aber nicht erkannte oder falsch eingeschätzte Brisanz der augenblicklichen Situation am Weltmarkt für Weizen.

Dieser Markt steht inzwischen kurz vor dem Ende des dritten Defizitjahres in ununterbrochener Folge. Ein viertes Jahr ist so gut wie sicher. Der IGC schätzt die Weltproduktion 2003/04 zwar auf 590 Millionen Tonnen (1 Million Tonnen weniger als im März), erwartet jedoch einen Verbrauch von 602 Millionen Tonnen. Dies dürfte den Weltvorrat in der neuen Saison auf 149 Millionen Tonnen sinken lassen. Zwar ist nach Lage der Dinge damit zu rechnen, dass der Anteil des minderwertigen Weizens am Gesamtvorrat 2003/04 überproportional schrumpft, doch lässt dies die Grundkonstellation für die Versorgung nicht wesentlich besser aussehen.

Und schließlich ist noch zu bedenken, dass das Angebot an Reis extrem geschrumpft ist und dass sich die Produktionsprognosen bei Weizen für die neue Saison wesentlich auf die Erwartung stützen, die Ernten in Kanada und in Australien könnten sich nach der Misere des vergangenen Jahres steil erholen. Dies sind Hoffnungen, denn über die Feuchtigkeitsbedingungen in Australien ist bisher wenig Gutes zu hören. Auch in den kanadischen Prärieprovinzen mangelt es noch immer an Feuchtigkeit. Zudem drohen die Ernten in weiten Teilen West- und Mitteleuropas wegen ausgebliebener Niederschläge zu einem Desaster zu werden.

Anzumerken bleibt noch, dass die Prognosen des IGC und des USDA zu Weizen in den vergangenen Jahren die Tendenz hatten, sehr früh ein optimistisches Versorgungsbild zu zeichnen, um dann Monat für Monat zurückgenommen zu werden. Einiges spricht dafür, dass sich dieses Muster auch für 2003/04 wiederholt. Das USDA legt übrigens seine ersten Prognose für die Weltsaison am 12. Mai vor.

Dass es 2003/04 mit der Weizenversorgung wieder oder noch einmal gut gehen könnten, ist vor diesem Hintergrund nur eine Hoffnung. Doch eine Marktstrategie auf Hoffnungen zu gründen, ist gefährlich und wenig professionell.

(Quelle: Taurobweb)

Geschrieben von Richard Ebert am
Richard Ebert
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Weizen Chicago: Neue Tiefstpreise des September Futures

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Hält der Doppelboden ?

Richard Ebert
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Weizen Hannover: Die September Futures haben ihren Abwärtstrend verlassen

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Beide gleitende Durchschnitte (20 und 50 Tage) zeigen nach oben, die Preise haben ein technisches Potential bis 1,24 Euro.

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