° Weizen: Produktionsdefizit ist 'so gut wie sicher' / Preisexplosion ?
Ein Blick auf den Weizenmarkt in der Saison 2004/05 – Es steht sehr schlecht um die Versorgung – Ein weiteres Produktionsdefizit ist so gut wie sicher
(19.12.2003) Während die augenblickliche Aufmerksamkeit am Weizenmarkt der in den USA weilenden chinesischen Einkaufsdelegation gilt, richtet sich das perspektivische Interesse bereits heute auf die Versorgungslage in der kommenden Saison 2004/05 (Juli/Juni). Und da sehen nicht wenige Fachleute schwarz. Wir schließen uns ihnen an.
Das große Bild des Weizenmarktes wird seit 2000/01 (Juli/Juni) bestimmt von einer ununterbrochenen Defizitserie. Sie lässt den Weltvorrat 2003/04 im Verhältnis zum geschätzten Verbrauch aller Voraussicht nach auf den niedrigsten Stand seit mehr als dreißig Jahren schrumpfen. Seinerzeit schossen die Preise in Chikago von etwa 1,30 Dollar auf in der Spitze rund 6,50 Dollar je Bushel empor, als die Knappheit erkennbar wurde.
1995/96 stellte sich noch einmal eine kräftige Hausse ein, die bei etwa 3,40 Dollar einsetzte und bei rund 7,20 $ endete, bevor sich die Notierungen über Jahre hinweg zwischen etwa 2,40 und 2,80 Dollar einpendelten. Dieser Bereich war dann die Ausgangsbasis für die derzeit unter langfristigen Aspekten noch immer ungebrochenen Aufwärtsbewegung.
Weder 1993/94 noch 1995/96 war die Situation am internationalen Weizenmarkt derart angespannt, wie sie sich jetzt darbietet. Anzumerken bleibt, dass es bei Futtergetreide im allgemeinen und bei Mais im besonderen nicht anders, sondern eher noch schlimmer aussieht. Nicht zuletzt aber muss daran erinnert werden, dass auch Reis extrem knapp geworden ist.
Was Weizen anlangt, so bleiben wir bei unseren tiefen Zweifeln an den Verbrauchsprognosen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) und des Internationalen Getreiderats (IGC) von 588,14 beziehungsweise 586 Millionen Tonnen für die laufende Saison. Es ist uns völlig unerklärlich, wie das USDA und der IGC, die den Verbrauch im zurückliegenden Rechnungsjahr auf 602,39 beziehungsweise 601 Millionen Tonnen schätzten, auf einen derart stark Rückgang kommen können. Revisionen dieser Zahlen sind unserer Meinung nach unvermeidlich.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass sich der Blick vor allem der Weizenverarbeiter und –verbraucher in aller Welt auf die Frage richtet, wie es 2004/05 weitergeht. Was von amerikanischer Seite zu vernehmen ist, ignoriert überwiegend die Verhältnisse außerhalb des Landes oder beachtet sie wenigstens nicht angemessen.
Zum Teil ergibt sich auch der Eindruck, als würden ohne weiteres Nachdenken „Hausnummern“ genannt. Wieder andere Prognosen nehmen den langjährigen Trend und rechnen die Produktion für 2004/05 hoch, während sie ihre Verbrauchschätzungen eher dem Angebot anpassen, als dass sie fundierte Prognosen vorlegen.
Refco zum Beispiel spricht immer wieder von der Wahrscheinlichkeit einer „enormen“ Zunahme der Produktion in der neuen Saison und hat dabei schon einmal die Menge von 60 Millionen Tonnen genannt. Woher ein derart starker Zuwachs angesichts der herrschenden Preise kommen soll, erklärt der zweifellos sehr sachkundige Broker aber nicht.
Wir wollen in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass drei der fünf führenden Exportländer oder –regionen bereits 2003/04 in der Nähe ihrer augenblicklichen Kapazität angelangt sind. Es handelt sich um die USA, Kanada und Australien. Beträchtliche Kapazitätsreserven bestehen in der Europäischen Union (EU) in ihrer noch gegebenen Formation und auch in Argentinien. Auch Russland sollte in diesem Zusammen nicht vergessen werden.
Doch der Abbau von Agrarsubventionen in der EU macht eine starke Zunahme der Produktion 2004/05 sehr unwahrscheinlich. Dann werden zwar die neu hinzukommenden Mitglieder mitgezählt, doch auch sie dürften nicht über ihre bisherigen Kapazitäten hinaus produzieren können.
Anzunehmen, dass die vielen andere kleineren und ganz kleinen Produzentenländer zusammen ihre Produktion so stark steigern, dass in Verbindung mit höherer Erzeugung in den führenden Exportregionen das von Refco anvisierte Plus von 60 Millionen Tonnen zusammenkommt, erscheint uns, gelinde gesagt, extrem gewagt.
Der IGC hat, einer Tradition folgend, inzwischen ebenfalls einen Ausblick auf 2004 gegeben, wobei er nur vom Kalenderjahr spricht. Doch es macht keinen Unterschied, wenn wir die Zahlen zur besseren Vergleichbarkeit als für die Saison 2004/05 geltend verwenden.
Der IGC erwartet, dass die Weizenproduktion dann auf 589 Millionen Tonnen wachsen und somit um 37 Millionen Tonnen über dem Ergebnis von 2003/04 liegen könnte. Zwischen den 37 Millionen Tonnen des IGC und den 60 Millionen Tonnen von Refco besteht schon eine beachtlich Differenz. Vor allem entscheidet sie darüber, ob 2004/05 ein weiteres Defizitjahr wird oder ob der Weizenvorrat in der Welt erstmals seit der Jahrtausendwende wieder aufgestockt werden kann. Dabei kann getrost vorausgesetzt werden, dass der Verbrauch in der neuen Saison den Ansatz des IGC für die laufende von 586 Millionen Tonnen deutlich übersteigt.
Fazit: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird 2004/05 ein weiteres Defizit bringen. Dies allein reicht, um deutlich höhere Weizenpreise zu erwarten. Wenn nun aber noch Produktionsausfälle, die wegen der klimatischen Veränderungen in der gesamten Welt zunehmend wahrscheinlich werden, hinzukommen sollten, könnte die Situation aus dem Ruder laufen. Die Höchstpreise von 1995/96 wären dann wohl nur ein Meilenstein der zu erwartenden Hausse.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)
Die WTB Hannover plant im Januar 2004 den Handel mit dem neuen Weizenkontrakt auf Inlandsweizen aufzunehmen. Der Exportweizenkontrakt (siehe Chart) wird nicht mehr gehandelt.