Deutsche Speisekartoffeln kosten zurzeit 19,80 € je 100 kg !
Qualitätssteuerung mit Hilfe des RMX-Index – Benchmarking für die Kartoffel
Am Mittwoch der zurückliegenden Woche veröffentlichte die RMX (Risk Management Exchange) in Hannover den ersten Index auf Speisekartoffeln in dieser Saison. Aufgrund seiner Datengrundlage ist der so genannte RMX Table Potato Index der maßgebliche Preiszeiger für die gesamte Wertschöpfungs-kette. Er gibt Auskunft über das aktuelle Preisniveau von Speisekartoffeln deutscher Herkunft. Zudem dient dieser Preiszeiger als Messlatte in der Bewertung von Qualität.
In einer Pressemeldung der öffentlich-rechtlichen Agrarbörse, die unter Aufsicht des Landes Niedersachsens steht, wird herausgestellt, dass die Zusammensetzung und Berechnung des Index nach klaren Vorschriften erfolgt, die in einem Regelwerk definiert ist. Es handelt sich nämlich um einen nach Anzahl der Meldungen gewichteten Durchschnittspreis von vorwiegend festkochenden Speisekartoffeln für 100 kg, der in den maßgeblichen deutschen Versandregionen Niedersachsen, Bayern und Sachsenanhalt an der Versandhandelsstation für Handelsklassenware genannt wird. Die Kartoffeln sind ungewaschen, lose und auf dem Transportmittel des Käufers verladen, sowie ohne Ausweis von Umsatzsteuer oder sonstigen Abgaben.
Die Preiserhebung erfolgt in der Zusammenarbeit mit der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP). Der Index wird von nun an bis zum Ende der Vermarktungssaison immer am Mittwoch veröffentlicht. Dieser Preiszeiger wurde von Fachleuten entwickelt, soll als Bewertungsindikator dienen und wird deshalb als Kalkulationsgrundlage beim Aushandeln von Geschäftsabschlüssen eingesetzt. Außerdem hilft er den Marktbeteiligten als Bezugsgröße bei der Selbsteinschätzung. Der Index stellt quasi eine Messlatte dar: liegen die für eigene Kartoffeln erzielten Preise stets über dem Index, so ist das ein Zeichen für eine überproportional gute Nachfrage und somit einer besseren Akzeptanz des Produkts. Bei stets niedrigeren Preisen sollte sich der Anbieter überlegen, was er besser machen kann, um zumindest den Branchendurchschnitt zu erreichen. Der Index ist somit ein ideales Steuerungsinstrument, um Qualitätsanreize zu geben. Mit Zu- oder Abschlägen wird Leistung bewertet. Das nennt man auf Neudeutsch Benchmarking.
Mit diesem Instrument erfüllt die Terminbörse in Hannover eine ihrer wichtigsten Aufgaben, nämlich die Erhöhung der Markttransparenz.
Da der Index darüber hinaus auch noch als Abrechnungsbasis für Terminkontrakte bei der Fälligkeit fungiert, können alle Unternehmen in der Kartoffelbranche mit dem Handel dieses Derivats ihre Preisrisiken begrenzen. Bei den extremen Preisschwankungen im Kartoffelmarkt gibt es davon schließlich mehr als genug. Für den Außenstehenden ist das Drama, das sich in diesem Jahr in der europäischen Kartoffelwirtschaft abspielt, kaum erkennbar. Landwirte, die zu festen Preisen auf dem Niveau der Produktionskosten ihre Kartoffeln frühzeitig verkauft haben droht der Konkurs wenn Ertrag und Qualität nicht stimmen. Währenddessen präsentieren ihre Kollegen mit vertragsfreier Ware phantastische Ergebnisse. Aber auch Handelsunternehmen haben durch Leerverkäufe Risiken in ihren Büchern angehäuft, die ihnen nun bei steigenden Preisen das Eigenkapital unter Füßen wegzieht. Selbst renommiert Handelshäuser müssen in diesen Tagen ihren Lieferanten gegenüber glaubhaft machen, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen auch nachkommen können. In kaum einer Branche sind die Risiken so groß, wie bei den Kartoffeln. Ähnliche Beobachtungen gibt es aber auch in anderen Bereichen der Agrarbranche. Die Ressourcenknappheit führt einem Paradigmenwechsel – die Handelsgeflogenheiten gehören auf den Prüfstand.
Ein Festhalten an alten Strukturen ist unverantwortlich, es kostet nicht nur Arbeitsplätze, sondern ganze Branchen werden zerstört. Und so wundert es kaum, dass auch die Politik das Thema Risikomanagement auf Ihre Tagesordnung nimmt. Die amtierende Agrarkommissarin in Brüssel Frau Fischer Boel hat dieses Thema auf ihrer Agenda. Um den steigenden Marktrisiken besser begegnen zu können, ist also die Nutzung von Terminbörsen unumgänglich und politisch gewollt.
Vor dem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass die RMX nach jahrelanger Durststrecke endlich mehr Aufmerksamkeit in Agrarwirtschaft erhält. Man kann froh sein, dass die Verantwortlichen soviel Stehvermögen bewiesen haben und nun, wo der Ernstfall eintritt, ein derart gut funktionierendes Instrumentarium zur Begrenzung von Preisrisiken zur Verfügung steht.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH Farven