Landwirtschaft: Erzeuger in der Kostenfalle
Landwirtschaft: Der gute Ertrag der Felder wirkt sich finanziell schlecht für die Bauern aus – Kosten steigen allenthalben - reiche Ernte drückt die Preise
Von Madeleine Reckmann
TREBUR (09.10.04) Kartoffeln, Getreide und Gemüse ernten die Landwirte in diesem Jahr in Hülle und Fülle. Mutter Natur meint es gut mit den Menschen. Doch bei den Bauern kommt keine rechte Freude auf. Denn so paradox es klingt: sie verdienen bei hohen Erträgen weniger als bei niedrigen.
Die große Hitze im letzten Jahr ließ die Ackerfrüchte klein bleiben – es gab zu wenig Getreide auf dem Weltmarkt. Für die geringen Mengen wurde aber ordentlich gezahlt: 12 Euro für den Doppelzentner Weizen, 13 Euro für Gerste. In diesem Jahr erhalten Landwirte gerade mal 8,50 für Weizen und 7 Euro für Gerste. Der Doppelzentner Kartoffeln wurde 2003 für 14 Euro und Zwiebeln für 18 Euro verkauft. 2004 gibt es für Kartoffeln nur 4 Euro und für Zwiebeln 5 Euro. Landwirtschaftliche Produkte werden eben anders als Videogeräte nicht 'mehr' konsumiert, nur weil sie billig sind, meint Klaus Neumeyer, Leiter der landwirtschaftlichen Fachschule in Darmstadt, zu dessen Aufgaben auch die Beratung der Landwirte gehört.
Mehr als essen könne der Mensch halt nicht. Doch Gottes reiche Gaben haben für die Bauern Armut zur Folge. „70 Prozent der Gespräche unter Landwirten drehen sich um den Erhalt der Liquidität“, berichtet Neumeyer. „Die Landwirte müssen jetzt Geduld und Nerven behalten“, sagt Wolfgang Dörr, Vorsitzender des Treburer Bauernverbandes.
Es sind nicht nur die geringen Erlöse, die es den Bauern schwer machen. Überall wird etwas abgeknapst von ihren Einnahmen: gestiegene Sozialversicherung, Berufsgenossenschaft, Abgaben an die Kommunen. In diesem Jahr schlägt außerdem der gestiegene Energiepreis zu Buche. Etwa 85 Cent zahlten Landwirte im letzten Jahr für den Liter Diesel, in diesem Jahr sind es 98 Cent. Bei einem Verbrauch von 10 000 Litern kommt ein Batzen an Mehrkosten zusammen. Bis vor drei Jahren wurde den Landwirten die Mineralölsteuer komplett am Jahresende erstattet. Heute sind es nur noch 21,48 Cent von den 25,56 Cent Steuern. Etwas über 4 Cent bleiben davon also bei den Bauern hängen. Gerade Landwirte, die Produkte wie Kräuter, Arzneipflanzen oder Mais trocknen oder weiterverarbeiten, bekommen das zu spüren. Für einen Hektar mit normaler Fruchtfolge rechnet man 80 Euro Energiekosten; bei Kulturen mit Trocknung sind es 150 Euro. „An der Beregnung können wir nicht sparen“, sagt Landwirt Hans-Heinrich Hannemann vom Hof Rheinblick. Im Gegensatz zu früher würden aber nur noch 20 Prozent der Äcker gepflügt, um Sprit zu sparen. Der Rest wird nur oberflächlich bearbeitet. Hannemann erwägt, einen Teil der Traktoren auf Biodiesel umzustellen. Der wird vom Staat gefördert.
Bei allen schlechten Nachrichten sieht Neumeyer langfristig, etwa in zehn Jahren, rosige Zeiten auf die Landwirte zukommen. Der Vorrätebestand sinke nämlich weltweit. Bis dahin jedoch „werden noch viele über die Wupper gehen.“
(Quelle: echo-online.de)