Richard Ebert
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Milch: Schweizer Bauern gehen auf die Barrikaden

Milchbauern gehen einmal mehr auf Barrikaden - Protestaktion der Milchbauern in Bern gegen die tiefen Milchpreise

Swissinfo.ch (12.07.10) - Milchbauern in der Schweiz und der EU haben am Montag gegen die Lage auf dem Milchmarkt demonstriert. Hierzulande gäbe es genug Instrumente zur Regelung des Milchpreises, sagt Jacques Chavaz vom Bundesamt für Landwirtschaft.

Dutzende von Milchbauern der Bauerngewerkschaft Uniterre füllten am Montag in Bern ein Becken mit Milch und baten die Verantwortlichen der Branchenorganisation Milch, die "Suppe" auszulöffeln.

Auf Transparenten forderten sie einen Preis von einem Franken pro Liter Milch.

Obwohl es die Branchenorganisation Milch (BO Milch) seit über einem Jahr gebe, habe sie es bisher verpasst, die Überproduktion von Milch einzudämmen, heisst es in der Pressemitteilung von Uniterre. Dieser Überschuss habe zu einem "dramatischen Preiszerfall" geführt.

Die europäischen Milchproduzenten stünden am Rande des Abgrundes, hielt die Bäuerliche Interessengruppe Marktkampf (BIG-M) aus der Schweiz zum Aktionstag fest.

BIG-M und Uniterre fordern deshalb von der BO Milch "griffige Massnahmen", mit denen das Milchangebot gesenkt wird. Es brauche ein Regulierungssystem, mit dem Angebot und Nachfrage aneinander angepasst werden.

Seit der Milchmarkt 2008 freigegeben wurde, ist der Milchpreis für die Produzenten deutlich gesunken. Gleichzeitig stieg die Produktionsmenge klar an.

Die staatliche Milchkontingentierung war am 30. April 2009 nach drei Jahren Übergangszeit aufgehoben worden.

Den rund 26'000 Milchbauern in der Schweiz stehen heute vier Industriebetriebe gegenüber, die 80 Prozent der Milchmenge verarbeiten und damit den Markt auf der Käuferseite dominieren.

"Probleme intern regeln"

Die Schweizer Landwirte protestieren mit der Aktion in Bern einmal mehr gegen die aktuelle Lage auf dem Milchmarkt. In ganz Europa gingen Milchbauern gegen tiefe Milchpreise und das Überangebot am Markt auf die Barrikaden.

Wie reagiert der Bund auf die Kritik der Milchproduzenten? "Die Bauern demonstrieren nicht vor dem Bundeshaus, sondern vor der Branchenorganisation Milch. In diesem Sinn ist das Bewusstsein da, dass die Probleme eigentlich prioritär intern zu regeln sind", sagt Jacques Chavaz, stellvertretender Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), das dem Wirtschaftsdepartement von Doris Leuthard untersteht, gegenüber swissinfo.ch.

"Nach unserer Lesart verfügt die Branchenorganisation Milch grundsätzlich über die Instrumente, um Einfluss auf die Entwicklung des Milchpreises zu nehmen", so Chavaz.

Auf dem Weltmarkt konkurrieren

Der Druck auf den Milchpreis dürfte indes in Zukunft noch zunehmen, strebt doch die Schweiz im Rahmen der WTO eine Marktliberalisierung an – obwohl die Bauern in der EU die aktuelle Milchpolitik als Fiasko sehen.

Die EU hält aber weiterhin am Ziel der Marktliberalisierung fest, das heisst, die Bauern sind gezwungen, für den Markt möglichst kostengünstig zu produzieren. Für Betriebe, die nicht auf dem Weltmarkt konkurrieren können, bedeutet dies unweigerlich das Aus.

Während die Bauern in Europa eine festgelegte Milchquote fordern, um den Preiszerfall zu verhindern und eine Drosselung der Milchmenge zu erreichen, passiert in der EU in der Praxis das Gegenteil: Die EU hebt die Quote alljährlich an.

Die Überproduktion wird bisher zwar noch gebüsst, doch damit soll im Jahr 2015 Schluss sein, wie in der EU 2003 beschlossen wurde.

"Liberalisierung in Schweiz?"

Macht es angesichts der Erfahrungen in der EU Sinn, die Milchproduktion auch in der Schweiz dem freien Markt zu überlassen?

"Wir haben keine vollständige Liberalisierung in der Schweiz, die Milchproduktion ist nicht vollständig den Marktkräften überlassen", sagt Chavaz.

Es gebe hier nach wie vor staatliche Rahmenbedingungen und eine Unterstützung des Bundes im dreistelligen Millionenbereich. "Sture staatliche Systeme der Kontingentierung sind den heutigen Anforderungen nicht angepasst."

Die Nachfrage in der Schweiz sei segmentiert: "Auf dem Käse- oder dem Milchmarkt gibt es unterschiedliche Marktentwicklungen. Es ist absolut notwendig für die Bauern und die Industrie, dass man relativ flexibel auf diese Entwicklungen reagieren kann", so Chavaz. Wenn die Preise nicht stimmten, dann würden Schweizer Konsumenten einfach im Ausland einkaufen.

"Das bedeutet natürlich auch, dass wir nicht ohne jegliche Rücksicht auf die Entwicklungen im Ausland im Schweizer Markt operieren können."

Unterstützung der Familienbetriebe?

Wird die Schweiz also, wie von den vielen kleinen Milchbauern-Betrieben befürchtet, immer wie mehr unter Zugzwang der EU-Marktliberalisierung geraten? "Der Markt in der Schweiz ist nicht abgeschottet, aber dank der eigenständigen Agrarpolitik ist es in der Schweiz nach wie vor möglich, einen besseren Milchpreis in zu erzielen als in den umliegenden Ländern", betont Chavaz.

Befürchtungen, dass durch die Marktliberalisierung wie etwa in Ostdeutschland Milchwirtschaftsbetriebe von grossen Industriekonzernen und Banken übernommen werden könnten, hat er keine. "Die ganze Landwirtschaftspolitik in der Schweiz, inklusive die Milchwirtschaft, ist darauf ausgerichtet, dass die Familienbetriebe unterstützt werden."

Tatsache ist: Die Zahl der Milchproduzenten nimmt seit einigen Jahren kontinuierlich ab – und die verbleibenden Betriebe werden tendenziell immer grösser.

Kommentar von Thomas Weibel, Schweiz:

Es ist nicht mehr lachhaft, sondern nur noch traurig, dass wir im Jahr 2010 noch immer über Subventionen für Milchbauern reden müssen. Noch immer werden an zahlreichen Orten nicht mal die Tiere artgerecht gehalten. Lediglich der "garantierte Zustupf" motiviert solche Landwirte zur Beibehaltung dieser Zustände. Ich möchte im Namen aller selbständig tätiger Handwerker und Dienstleister doch auch gerne, dass wir etwas "auf die Halde" produzieren dürfen, dafür aber garantiert entlöhnt werden... Wo das hinführen würde kann sich wohl jeder selber denken, oder? Weder im Sinne des Konsumenten, noch im Sinne des Naturschutzes und vor allem nicht im Sinne des Tieres... Traurig, traurig aber ein typisches Stück Schweiz.

(Quelle: http://www.swissinfo.ch/ger/wirtschaft/Milchbauern_gehen_einmal_mehr_auf_Barrikaden.html?cid=17949746&rss=true)

Bild entfernt.

Terminmarkt: Gleiche Kurse wie am Vortag

An der Eurex haben sich die Milchkurse des nahen Juli Termins nicht verändert. Es notierten Butter bei 3.645 Euro (3.620 Geld zu 3.670 Brief) und Milchpulver bei 2.255 Euro (2.230 Geld zu 2.280 Brief).

Bild entfernt.

Grafik: Milchpulverfutures Chicago gegen Frankfurt. Die beiden Kontrakte sind nur bedingt vergleichbar.

Geschrieben von Richard Ebert am
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