Milch: Volatilitäten erfolgreich managen
az-Interview mit Sascha Siegel, Produktmanager der Terminbörse Eurex, Frankfurt
Von Brigitte Stein
Agrarzeitung.de (04.06.10) - Seit Wochenbeginn [31.05.10] können Magermilchpulver und Butter an der Frankfurter Terminbörse Eurex gehandelt werden. Die Markteinführung begleitet Eurex-Produktmanager Sascha Siegel, der die Entwicklungen auch langfristig beobachtet.
agrarzeitung: Der Milchmarkt ist noch nicht völlig dereguliert. Wieso halten Sie den Zeitpunkt gerade jetzt für gekommen?
Siegel: Sie haben recht, der Agrarmarkt in Europa im Allgemeinen und der Milchmarkt im Speziellen sind, historisch betrachtet, stark reguliert und haben sich durch hohe Subventionen ausgezeichnet. Dadurch waren die Akteure des Marktes nur geringen Preisrisiken ausgesetzt. Daher spielen Agrarderivate in Europa – verglichen etwa mit den Vereinigten Staaten, Indien oder China – noch keine bedeutende Rolle. Das ändert sich, bedingt durch steigende Volatilität und Veränderungen in der Subventionspolitik, zunehmend. Es wird für die Industrie immer wichtiger, die entstehenden Preisrisiken abzusichern. Genau dafür bieten wir Lösungen.
Warum haben Sie das Volumen der Futures mit fünf Tonnen recht klein gewählt?
Siegel: Der gewählte Kontraktwert von fünf Tonnen entspricht den Wünschen der Mehrheit der Industrie. Sie will kleinere Größen handeln können, und so hoffen wir, dass unsere Kontraktausgestaltung eine größere Zahl von Interessenten erreichen wird.
Warum setzen Sie auf Cash-Settlement?
Siegel: Bei der Entwicklung der Futures hat uns die Industrie vermittelt, dass die Funktion der Preisabsicherung deutlich wichtiger ist, als die Ware tatsächlich physisch beziehen zu können. Das deckt sich mit unseren sehr positiven Erfahrungen im Segment der Verarbeitungskartoffeln. Auch hier haben wir bewusst auf die physische Lieferung der Ware verzichtet. Für den Barausgleich wurden uns zwei Hauptargumente genannt: Zum einen liegen potenzielle Lieferpunkte und Standorte der Marktteilnehmer zu weit auseinander.
Einem Weiterverarbeiter in Bayern nützt ein Lieferpunkt in Rotterdam wenig. Qualität ist ein weiterer wichtiger Grund. Verarbeiter, die heute sehr hochwertig produzieren, brauchen teilweise bis zu einem halben Jahr, bis sie Produzenten für ihr Werk zertifizieren. Wenn ich aber eine anonymisierte Ware aus einem Lager erhalte, weiß ich letztendlich nicht, ob ich sie für meinen Betrieb überhaupt einsetzen darf.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Basis für den Index ausgewählt?
Siegel: Zum einen war es uns wichtig, Notierungen zu verwenden, die tatsächlich auch im Spotmarkt für Transaktionen genutzt werden und somit über eine hohe Glaubwürdigkeit im Markt verfügen. Zum anderen wollen wir die Schlüsselregionen der Milchindustrie in Zentraleuropa abbilden. Daher haben wir uns dafür entschieden, Preise aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden in unserem Index zu kombinieren.
Wie begleiten Sie die Markteinführung?
Siegel: Wir bieten über die Deutsche Börse Capital Markets Academy Einführungsveranstaltungen speziell für die Milchindustrie in verschiedenen europäischen Städten an. Aber auch unsere Börsenteilnehmer und Broker sowie verschiedene Marktorganisationen sind mit Trainings sehr aktiv. Durch Gespräche mit den Branchenverbänden wollen wir zudem möglichst viele Interessenten erreichen.
(Quelle: Agrarzeitung vom 4. Juni 2010)