Richard Ebert
Mitglied seit 11 Jahre 11 Monate

Schweine: Wachstumsschritte und Vieheinheitengrenze

Steigende Leistungen - Droht ein Überschreiten der Vieheinheiten-Grenze ?

LWK Niedersachsen, Hannover (März 2011) - Auch ohne große Wachstumsschritte bewegen sich viele spezialisierte Schweinehalter eng an der Vieheinheiten-Grenze. Steigende Leistungen mit höheren Ferkel- und Umtriebszahlen führen schnell zum Überschreiten der Grenze. Wer die Vieheinheiten-Grenze um mehr als 10 % überschreitet, wird neuerdings bereits im laufenden Wirtschaftsjahr gewerblich. Was hierbei zu beachten ist, erläutert Ruth Beverborg von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

In vielen Betrieben wird die Vieheinheiten-Grenze „bis zum Anschlag“ ausgereizt. Bisher war eine Überschreitung der Grenze unschädlich, wenn sie nicht nachhaltig erfolgte, d.h. nach geringfügiger Überschreitung innerhalb von 3 Wirtschaftsjahren in Folge trat die Gewerblichkeit frühestens im 4. Wirtschaftsjahr ein. Das wird als „allmählicher Strukturwandel“ bezeichnet.

Seit einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.2.2009 ist nicht mehr der dreijährige Zeitraum entscheidend, sondern die Überschreitung in einem Jahr: „Wird die Vieheinheiten-Grenze um mehr als 10 % überschritten und wird dadurch zugleich ein zusätzlicher Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen von mehr als 10 % erforderlich, lässt dies den Schluss eines sofortigen Strukturwandels zu.“ (BFH-Urteil IV R 18/06).

Das bedeutet für den betroffenen Betrieb, dass er gewerblich eingestuft wird. Er unterliegt umsatzsteuerlich nicht mehr der Pauschalierung, sondern der Regelbesteuerung. Die Folge ist, dass der Betrieb Umsatzsteuererklärungen abgeben und mit dem Finanzamt die vereinnahmte Umsatzsteuer (als Pauschalierer: 10,7 %, als Regelbesteuerter 7 %) und die verausgabte Vorsteuer (7 % z.B. auf Futter, 19 % z.B. auf Medikamente) verrechnen muss. In durchschnittlichen Jahren beträgt der umsatzsteuerliche Nachteil der gewerblichen Schweinehaltung ca. 6 € je erzeugtem Mastschwein und etwa 60 € je Sau.

In dem BFH-Urteil werden 2 Grenzen, Vieheinheiten und Fläche, benannt. Aus Übersicht 1 wird deutlich, dass die 10 %-Grenze bei der Fläche (grüne Kurve) eher greift als die 10 % bei den Vieheinheiten (rote Kurve). Der Gesetzgeber hat beide Bedingungen aber mit und verknüpft und hätte daher auf die Vorgaben bezüglich der Fläche verzichten können.

Wie schnell der sofortige Strukturwandel eintreten kann, verdeutlicht Übersicht 2. Ein Betrieb mit 200 Sauen (200 Sauen * 0,33 VE = 66 VE) und 23 verkauften Ferkeln pro Sau und Jahr sowie einem durchschnittlichen Verkaufsgewicht von 29 kg pro Ferkel (4.600 Ferkel * 0,04 VE = 184 VE) produziert 250 Vieheinheiten (VE) jährlich. Der Flächenbedarf für eine steuerrechtlich landwirtschaftliche Produktion liegt bei 28 ha LF, denn nach dem Bewertungs- und Einkommensteuerrecht gehören Tierbestände in vollem Umfang zur Landwirtschaft, wenn im Wirtschaftsjahr

für die ersten 20 ha nicht mehr als 10 VE/ha
für die nächsten 10 ha nicht mehr als 7 VE/ha
für die nächsten 20 ha nicht mehr als 6 VE/ha
für die nächsten 50 ha nicht mehr als 3 VE/ha
und für die weitere Fläche nicht mehr als 1,5 VE/ha

erzeugt oder gehalten werden.

Bei einer Leistungssteigerung des Betriebes auf von 23 auf 27 verkaufte Ferkel pro Sau und Jahr, wird die 10 % - Grenze des Bundesfinanzhofs bereits überschritten. Der Betrieb produziert dann 282 VE und benötigt 32 ha LF. Liegt die Leistung des Betriebes bei 30 verkauften Ferkeln mit einem durchschnittlichen Verkaufsgewicht von 32 kg, so werden 426 VE erzeugt (66 VE über die Sauen und 360 VE über die Ferkel; 6.000 Ferkel * 0,06 VE). Je nachdem, mit welchem Gewicht die Ferkel vom Sauenhalter an den Mäster verkauft werden, erfolgt die VE-Bewertung der Tiere (s. Übersicht 3). Verkauft der Sauenhalter die Ferkel nicht mit 29 kg, sondern erst im Gewichtsabschnitt von 30 bis 45 kg an den Mastbetrieb, wird das Ferkel im Ferkelerzeugerbetrieb anstatt mit 0,04 VE mit 0,06 VE bewertet. Der Schweinemastbetrieb kann im Gegenzug die erzeugten Mastschweine mit 0,10 statt 0,12 VE bewerten. Dabei gilt der Grundsatz, dass ein erzeugtes Mastschwein insgesamt mit 0,16 VE zu bewerten ist.

In unserem Beispiel steigt damit der Flächenbedarf bei einem Verkauf von 30 Ferkeln mit 32 kg von ursprünglich 28 ha auf 62 ha. Damit benötigt der Betriebsleiter allein aufgrund der Leistungssteigerung und der höheren Verkaufsgewichte seiner Ferkel mehr als zweimal so viel Fläche, ohne in der Größe gewachsen zu sein. Dabei wirkt sich das höhere Verkaufsgewicht der Ferkel stärker aus als die Leistungssteigerung. Übersicht 4 zeigt diesen Zusammenhang: Ein Betrieb mit ausgeglichener Vieheinheiten-Bilanz könnte als Absatzferkelproduzent ca. 5 bis 6 Ferkel je Sau und Jahr mehr erzeugen ohne die 10 % - Grenze zu überschreiten. Ferkelerzeuger mit üblichen Verkaufsgewichten um die 28 kg können Leistungssteigerungen von maximal 3 bis 4 Ferkeln innerhalb der 10 %-Grenze verkraften. Übersteigen die Ferkel das Verkaufsgewicht von 30 kg, sind es nur noch 3 Ferkel.

Auch Schweinemäster haben in den letzten Jahren erhebliche Leistungssteigerungen zu verzeichnen. Mit steigenden täglichen Zunahmen steigt auch die Zahl der Umtriebe mit entsprechenden Auswirkungen auf die erzeugten Vieheinheiten im Betrieb. So erzeugt ein Schweinemäster mit 1.250 Mastplätzen und 2,6 Umtrieben 390 Vieheinheiten (3.250 Mastschweine * 0,12 VE). Der Betrieb bewirtschaftet 50 ha LF, auf dieser Fläche sind 390 VE zulässig, so dass die Vieheinheiten-Bilanz im Betrieb ausgeglichen ist. Erhöht sich die Anzahl der Umtriebe auf 3, so werden 450 VE (3.750 Mastschweine * 0,12 VE) erzeugt und die VE-Grenze wird um 15,4 % überschritten. Dieser Betrieb würde bereits im laufenden Wirtschaftsjahr gewerblich.

Besonders bei Rein-Raus-Mästern kann die 10 % - Grenze erhebliche Probleme verursachen. In diesen Betrieben wird dies durch die unterschiedlichen Verkaufstermine verursacht. So werden in einem Jahr 2 und im anderen Jahr 3 Durchgänge vermarktet. Vermarktet unser Beispielbetrieb mit 1.250 Mastplätzen und 50 ha LF den 3. Durchgang in einem Wirtschaftsjahr, so ist er bereits in diesem laufenden Jahr gewerblich.

Betriebe, die an der Vieheinheiten - Grenze produzieren, sollten ihre Produktion im laufenden Jahr hochrechnen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Wird es eng, muss rechtzeitig gegengesteuert werden. Folgende Lösungsmöglichkeiten bieten sich an:

Kurzfristig können gegebenenfalls Ferkel- oder Mastschweineverkäufe auf das nächste Wirtschaftsjahr verschoben werden. Dieses wirkt sich allerdings nachteilig auf die VE-Grenze des folgenden Wirtschaftsjahres aus.
Durch ein geschicktes Aufteilen der Vieheinheiten können die erzeugten Vieheinheiten reduziert werden.

Zeichnet sich längerfristig ein Überschreiten der Vieheinheiten-Grenze ab, müssen andere Anpassungsvarianten ergriffen werden: Flächenaufstockung, Betriebsteilung, Gründung einer § 51 a Gesellschaft gem. Bewertungsgesetz, Ausgliederung eines gewerblichen Betriebes.

(Quelle: LWK Niedersachsen, Hannover)

Geschrieben von Richard Ebert am
Rückrufservice
Beschreiben Sie bitte Ihr Anliegen, damit wir uns auf den Rückruf vorbereiten können.
Ja, ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen und willige ein, dass die von mir angegebenen Daten inklusive der Kontaktdaten zwecks Bearbeitung der Anfrage und für den Fall von Anschlussfragen elektronisch erhoben und gespeichert werden. Meine Daten werden dabei nur streng zweckgebunden zur Bearbeitung meiner Anfrage genutzt und nicht ohne Einwilligung weitergegeben. Diese Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.
Fragen?

Sie haben Fragen zu ZMP Live? Unser Team steht gerne hilfsbereit zu Ihrer Verfügung. Senden Sie uns gerne eine Nachricht:

Es gilt unsere Datenschutzerklärung

Jetzt registrieren

Jetzt registrieren und ZMP Live+ 14 Tage kostenlos testen!
  • Dauerhaft kostenfrei
  • Keine Zahlungsinformationen erforderlich