Weizen: Bauern rechnen mit Riesenverlusten
Kümmerkörner und braune Graskuppen
Bauern rechnen mit Riesenverlusten - Hilfe dringend notwendig
von Sigrid Dillge
(29.07.03) Quedlinburg/Königerode/MZ. Da, wo das Ackergras rund um Königerode eigentlich dicht an dicht und kräftig stehen müsste, ist nichts als trockene Erde und kümmerliche Pflanzen zu sehen. Auf den Hügelkuppen macht sich die Farbe Braun breit, etwas tiefer gelegen gibt es noch spärliches Grün. "Das war es. Hier wächst nichts mehr", sagt Rainer Rößler mit einem Schuss Bitternis in der Stimme.
Rößler ist Vorstandsvorsitzender der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Königerode. 300 Milchkühe stehen in den Ställen. Doch das Futter für sie wird in diesem Jahr bedenklich knapp. Schuld daran ist die anhaltende Trockenheit. "In normalen Zeiten schneiden wir das Ackergras viermal im Jahr", informiert Rößler. In diesem Jahr brachte der erste Schnitt Ende Mai noch normalen Ertrag, der zweite, Ende Juni, war bereits erheblich reduziert. Statt der 960 Tonnen des Vorjahres kommen in diesem Jahr nur 440 Tonnen vom Feld. Weniger als der gesamte erste Schnitt des Vorjahres.
Auch Regen nützt jetzt gar nichts mehr, weiß der Landwirt. Die Pflanzen können sich einfach nicht mehr wie nach einer normalen sonnenintensiven Zeit erholen. Das Wort "normal" sei ohnehin seit dem vergangenen Jahr in der Landwirtschaft nicht mehr zu gebrauchen, meint Rößler. Nach dem extrem nassen Jahr 2002 nun das extrem trockene Jahr 2003. "Die Extreme nehmen zu, wir werden uns darauf einstellen müssen. Ich kann nicht mehr planen, ich kann nur noch reagieren auf die Situationen, die sich kurzfristig ergeben", lautet seine Schlussfolgerung.
Reagieren auf die Trockenheit und das fehlende Futter heißt, den Viehbestand abzubauen. "Ein Futterzukauf lohnt sich bei den derzeitigen Milchpreisen nicht. Es müsste Förderprogramme geben, um die Existenz zu sichern", fordert Rößler.
Die Trockenheit macht auch den Saatgutproduzenten in der Firma Breun in Morgenrot vor den Toren Quedlinburgs zu schaffen. "Der Winterweizen müsste noch grün sein, doch er ist bereits notgereift, hat nur Kümmerkorn gebildet", umreisst Mitinhaber Ulrich Breun die Situation. Das Getreide bringe in diesem Jahr zwar hohe Proteinwerte, aber keine Masse. "Was wir geerntet haben, wird Bombensaatgut", schätzt sein Geschäftsführer Helmut Brauer ein.
Doch geerntet wurde nur wenig. Bei Gerste, Raps und Erbsen gab es zwischen 20 bis 30 Prozent Verlust, beim Weizen können es je nach Standort bis zu 70 Prozent werden. Und das, obwohl das Harzvorland im Vergleich zu anderen Regionen wie etwa die Altmark bessere Bedingungen hat.
Angst und Bange wird den Saatgutzüchtern nicht nur beim Blick auf die Erträge. "Die Bestellung wird zum Problem. Wir fürchten, dass wir gar nicht mit den Geräten in den Boden kommen und dass wir überhaupt eine einigermaßen krümelige Struktur auf den Flächen zustande bringen", sagt Brauer. Zu ausgetrocknet ist die Erde, beim Pflügen würden einfach riesige Brocken entstehen, die nicht zerfallen, keine guten Bedingungen für die neue Saat.
Die beiden Jahre mit extremen Wettersituationen hintereinander könnten dazu führen, dass viele landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr existieren können, befürchtet Brauer. Die vorgezogene EU-Beihilfe, die sonst erst Ende November ausgezahlt wird, helfe nicht, weil viele Betriebe bereits auf Pump leben und nichts mehr haben, um Verluste abzufangen.
"Es kommt zu Erlösausfällen von etwa 200 Euro pro Hektar", schätzt Hansjörg Scheurer, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. Die Landwirte wissen, dass die Landwirtschaft ein Gewerbe unter freiem Himmel und in hohem Maße vom Wetter abhängig ist. Doch in diesem Jahr, so Scheurer, handele es sich nicht um witterungsbedingte Ertragsschwankungen, sondern um eine Bodendürre. "Deshalb klingt es höhnisch, wenn die Verbraucherministerin Frau Kühnast und der grüne Europa-Abgeordnete Graefe zu Baringdorf verkünden, die Landwirte müssten mit witterungsbedingten Ertragsschwankungen rechnen", kritisiert er.
Die Bauern erwarten Hilfsmaßnahmen von Land, Bund und EU, ist sich Scheurer sicher. "Wir fordern ein Dürrehilfsprogramm für unsere Landwirte, das den unverschuldet in Existenznot geratenen Unternehmen hilft, diese schwere Durststrecke zu überstehen", lautet seine klare Forderung an die Politiker.
(Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, www.mz-web.de)