Perspektiven für das Getreidejahr 2017
Wird 2017 ein Jahr mit niedrigen Getreidepreisen von 100 bis 130 € je t oder vielleicht im Gegenteil mit 200 €/t und mehr? Wird es eher stetig verlaufende oder turbulente Kursentwicklungen geben?
Für die kommenden Monate das Jahres 2017 gibt es eine Reihe von bereits relativ sicheren Daten in der näheren Zukunft und andererseits nur statistisch wahrscheinliche Informationen im späteren Jahresverlauf. Unter Berücksichtigung marktwirtschaftlicher Zusammenhänge läßt sich daraus der Rahmen für erste grundlegende Orientierung herleiten.
Zunächst ist aus den zurückliegenden und noch laufenden Ernten ein weltweites Getreideangebot herzuleiten, das deutlich über dem der Vorjahre hinausgeht. Die Angebotsmengen sind auf jeden Fall größer als die hochgerechneten Verbrauchszahlen. Die Folge ist ein wachsender Getreideüberhang, der sich in den letzten Jahren von knapp 400 auf über 500 Mio. t gesteigert hat. Damit ist eine beachtliche Reserve angelegt, um mögliche Minderernten auf Weltebene teilweise oder ganz auszugleichen. Zumindest das Versorgungspotenzial und extreme Preisentwicklungen werden gemildert.
Australiens Ernte endete kurz vor Jahresschluss mit einem Rekordergebnis von weit über 40 Mio. t und einem überdurchschnittlichen Exportangebot. Für die kommenden Monate kann ausreichend Getreide auf dem Weltmarkt angeboten wird. Der sich abzeichnende Einfuhrbedarfs Indiens in Höhe von rd. 10 Mio. t wird u.a. zu einem guten Teil von Australien hinsichtlich Menge und Qualität bedient werden können.
Aus den südamerikanischen Ländern Argentinien und Brasilien wird in den nächsten Wochen und Monaten des neuen Jahres 2017 ebenfalls mit hohen Ernten beim Weizen und Mais gerechnet. Befürchtungen um Trockenheitseinflüsse begrenzen sich auf regionale Ereignisse. Die Weizenernte in Argentinien wird auf 15 Mio. t geschätzt, nachdem in den Vorjahren um die 10 Mio. an der Tagesordnung waren. Von der argentinischen Maisernte in Höhe von gestiegenen 36 Mio. t sollen allein 25 Mio. t für den Export zur Verfügung stehen.
Brasiliens Erst- und Zweiternte von Mais wird im 1. Halbjahr 2017 auf 86,5 Mio. t eingestuft, nachdem im schwachen Vorjahr nur 67 Mio. t geerntet wurden. In früheren Jahren lagen die Ergebnisse zwischen 80 bis 85 Mio. t. Das brasilianische Exportpotenzial wird auf 20 Mio. t veranschlagt. Beide südamerikanischen Länder könnten im 1. Halbjahr zwischen 40 bis 45 Mio. t Mais auf den Markt bringen. Bei einem starken Dollarkurs werden die US-Exporte im Wettbewerb Probleme haben mithalten können. Allerdings gewinnt der Real in jüngster Zeit an Wert.
Trotz der Rekordernten in den Schwarzmeerregionen Russland, Ukraine und Kasachstan und einer bisher hohen Ausfuhraktivität werden in den Wintermonaten aufgrund der wetterbedingten Schwierigkeiten mit den Transporten die Exportmengen dieser Länder zurückgenommen. Der Angebotsdruck von dieser Seite sollte in den ersten Monaten des Jahres 2017 deutlich geringer ausfallen. Einfuhrländer Nordafrikas und des Nahen Ostens mit einem laufenden Importbedarf werden sich andere Quellen suchen.
Die EU ist nur begrenzt in der Lage, Getreidemengen in der Größenordnung früherer Jahre von rd. 50 Mio. t zur Verfügung zustellen. Die außergewöhnliche schwache Ernte - insbesondere im Hauptanbau- und Exportgebiet Frankreich - lässt nach jüngsten Schätzungen der EU-Kommission nur 35 Mio. t zu. Es fehlt nicht nur die Menge, sondern auch an der geforderten Qualität.
Das zweitgrößte Anbaugebiet der Welt China kämpft zurzeit mit dem rechtzeitigen Abbau der angehäuften Überschüsse, die zunehmend Gefahr laufen, dem Verderb zum Opfer zu fallen. Man spricht von Partien in 20 Mio. t Größe, die weder für die Nahrungs- noch für die Futterschiene mehr geeignet sind. Ein Ausweg ist die Verwendung zur Herstellung von Biokraftstoffen und der Herstellung von Plastik. Die Beteiligung Chinas am Weltmarkt bleibt deutlich hinter dem früherer Jahre zurück.
Für das 1. Halbjahr 2017 ist weiter mit einem ausgleichsfähigen Getreidemarktverlauf ohne Engpässe auf hohem Versorgungsniveau auszugehen.
Für die Ernten der Wintergetreidearten ab Mitte des Jahres 2017 sind die Anbauflächen bereits mehrfach geschätzt worden. In den USA geht man von der geringsten Weizenfläche seit Jahrzehnten aus. Außerdem haben jüngste Fröste für Auswinterungsschäden gesorgt, deren Höhe noch unklar bleiben. Der US-Marktanteil beim Weizen hält sich mit 55 Mio. t gemessen an der Welternte von 750 Mio. t in Grenzen. Die US-Weizenexporte verlieren mit knapp 25 Mio. t ebenfalls seit Jahren Marktanteile. Die US-Bedeutung beim Weizenhandel schwindet.
In der EU geht man von fast der gleichen Anbaufläche für Wintergetreide aus wie im abgelaufenen Jahr. Bei unterstellten Durchschnittserträgen wäre damit wieder mit einer EU-Ernte von 310 bis 315 Mio. t zu rechnen. Das abgelaufene Jahr 2016 lieferte nur 294 Mio. t. Allerdings werden die Überhangbestände auf nur 43 Mio. t anstelle von rd. 50 Mio. t in den Vorjahren geschätzt.
In Russland sollen die Anbauflächen zum Vorjahr noch einmal etwas erhöht worden sein. Die Saaten sind überwiegend mit ausreichendem Wachstum in den Winter gegangen, so dass wieder mit einer hohen Ernte gerechnet werden könnte. Allerdings birgt das Kontinentalklima immer hohe Risiken mit sehr kalten Wintern und heißen und trockenen Frühsommermonaten. Es wäre das 5. Jahr in Folge ohne nennenswerte klimatische Einbrüche. In früheren Zeiten gab es mit ziemlicher Regelmäßigkeit von 3 bis 5 Jahren erhebliche Ernteeinbußen durch Auswinterungsschäden und Trockenperioden in den Monaten Mai/Juni. Oder macht sich hier der Klimawandel bemerkbar?
Die Aussaatbedingungen für Wintergetreide in der Ukraine waren nicht so günstig. Von der geplanten Fläche sollen nur 90 % bestellt worden sein. Erste Auswinterungsschäden wurden in noch unbekanntem Ausmaße festgestellt. Allerdings verlagert sich der Anbau seit Jahren zunehmend auf den Mais.
Der weltweite Maisanbau stellt das größere Potenzial der Weltgetreideernte dar. Abgesehen von Südamerika steht die Maisaussaat erst in den späten Frühjahrsmonaten 2017 an. Dabei liegt ein wesentlicher Schwerpunkt bei denUSA mit einem Marktanteil von mehr als 35 %. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand wird man davon ausgehen können, dass die US-Fläche deutlich hinter den Vorjahren zurückbleiben wird. Das Soja-Mais-Preis-Verhältnis von 2,8 zu 1 spricht eindeutig für die Wettbewerbsüberlegenheit der Sojabohne. Bei durchschnittlichen Ertragsverhältnissen könnte nur mit einer mittleren US-Ernte gegenüber der Rekordernte des laufenden Jahres kalkuliert werden.
Verunsicherungen kommen von der neuen US-Regierung. Mehrfache Äußerungen aus zukünftigen Kabinettsmitgliedern stellen die Bioethanol-Effizienz in Frage. Das betrifft rd. 35 % einer US-Maisernte. Restriktivere Handelsbeziehungen zwischen USA und Mexiko gefährden den größten Abnehmer von US-Mais. Und nicht zuletzt bleibt die Frage, wie entwickelt sich der zukünftige Dollarkurs im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit beim US- Export.
Der Maisanbau in China wird systematisch von politischer Seite heruntergefahren, um die zu hohen Überschüsse abzubauen. Stattdessen soll der Sojaanbau mit Prämienzahlungen gefördert werden. Allerdings werden kaum Auswirkungen auf den Weltmarkt zu erwarten sein, weil der Chinahandel deutlich hinter den Vorjahren zurückbleibt.
Unter durchschnittlichen Verhältnissen ist davon auszugehen, dass die Weltgetreideernte 2017 hinter dem sehr guten Ergebnis des laufenden Jahres zurückbleiben könnte. Die globale Versorgungslage sollte unter Berücksichtigung stetiger Verbrauchsentwicklung etwas knapper ausfallen. Das Preisniveau könnte sich vom dem gegenwärtigen Niveau mit den jahreszeitüblichen Abweichungen etwas nach oben weiterentwickeln. Bleibt noch der Hinweis aufdie unvorhersehbaren Anbau- und Ernterisiken in beide Richtungen über eine noch lange Zeit.