Die Braugerste war über Jahrzehnte ein geschätztes Qualitätsprodukt im deutschen Getreideanbau und in vielen Anbaugebieten mittlerer bis schwächerer Bodengüte ein beliebtes Sommergetreide. Die Qualität im Sommer-Braugerstenanbau ist geblieben, ja sie konnte sogar durch ständige Anpassungen an die Wünsche der Abnehmer weiter optimiert werden. Doch was geschieht bei den heimischen Mälzereien? In den letzten Jahren wird dort verstärkt auf eine Malzbasis aus Mais, aus Winterbraugerste oder gar aus ganz normaler Wintergerste zurückgegriffen. Die Rohstoffimporte aus aller Welt werden zugleich immer umfangreicher. Das Motto „Hauptsache billig“ scheint das Einkaufsverhalten von vielen Mälzereien maßgeblich zu beeinflussen. Die Anzahl der Abnehmer, die heimische Qualitätsbraugerste bevorzugen, wird immer geringerund auch die Einkaufsmenge. Passende Vertragsangebote für Landwirte bzw. auskömmliche Preise für freie Ware werden immer seltener, der qualitativ hochwertige Sommer-Braugerstenanbau geht auch in den traditionellen Anbauregionen immer mehr zurück.
Vorbedingungen für einen rentablen Anbau der Sommerbraugerste
Der Hauptauslöser für den Anbaurückgang seitens der Landwirtschaft ist die insbesondere durch die schwachen Preise ausgelöste ungenügende Rentabilität. Wie die Grafik zeigt lagen die Braugerste-Erzeugerpreise oftmals unter den Konditionen für Brotweizen. Auch die vorhandenen Qualitätsrisiken, die bei diesem Naturprodukt verstärkt vorhanden sind schmälern die Rentabilität des Braugerstenanbaues da vielfach ein Teil der ursprünglich geplanten Braugerstenproduktion in eine erlösschwächere Verwertung wie z. B. in das Viehfutter gelangt. Zu den Zeiten eines durch die Intervention weitgehend „geregelten Marktes“ konnte die Braugerste noch Deckungsbeiträge auf dem Weizenniveau erzielen und der Landwirt baute die Braugerste noch mit Spaß, zudem sie auf vielen Standorten noch gut in die Fruchtfolge passte. Heute sieht das, wie die Deckungsbeitragserwartungen für die kommende Ernte zeigen,anders aus.
Anhand der Deckungsbeitragserwartungen bei den verschiedenen Ertragsniveaus kann man deutlich erkennen, dass die Braugerste am unteren Ende der Anbauhitliste rangiert und auch gegenüber den anderen Anbaumöglichkeiten im Frühjahr keine monetären Vorteile hat. Im Gegenteil: Der Mais, insbesondere der Silomais - bei dem die Absatzmöglichkeiten gegeben sind - gewinnt an Boden, aber auch der qualitativ hochwertige Sommerweizen bietet der Braugerste Paroli. Vergleicht man die Braugerste gar mit dem Wintergetreide und dem Raps gibt es deutliche Deckungsbeitragsdefizite in Höhe von einigen hundert Euro/ha. Wie die Kalkulationsannahmen zeigen müsste die Braugerste je nach Weizenpreisniveau bei mittleren Erträgen 37 bis 61 Euro/t brutto mehr erzielen um die Weizenrentabilität zu erreichen. Warum sich also mit dem komplizierten und riskanten Braugerstenabsatz beschäftigen, bei dem die Zahl der Verarbeiter immer geringer und damit deren Dominanz immer größer wird?
Welche Absatzmodelle sind möglich?
Unabhängig von den Interessen der Mälzer ist für den Landwirt die bestmöglichste Verwertung der Ackerfläche - des oftmals knappsten Faktors im Betrieb - von zentraler Bedeutung. Daher gilt es, den gesamtbetrieblichen Deckungsbeitrag - in dem neben dem Deckungsbeitrag der Einzelkultur auch die Fruchtfolgewirkungen zwischen den einzelnen Kulturen „mitspielen“ - bei unveränderten Produktionszweigen im Betrieb zu optimieren. Die dominierenden Kulturen für die sich jeweils ergänzenden Fruchtfolgeglieder sind einerseits der Weizen als Halmfrucht und andererseits je nach Standort der Raps oder der Mais. Die Braugerste steht auf der Seite der Halmfrüchte. Daher liegt es nahe, dass sich die Braugerste am Weizen orientiert. Da die Verhältnisse der variablen Kosten und der möglichen Erträge weitgehend feststehen, ist der zu erzielende Erzeugerpreis der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Aus der Sicht des Landwirts spricht also nichts dagegen, dass sich der Braugerstenpreis weitgehend am Weizenpreis orientiert. Das war im „Interventionszeitalter“ meistens der Fall. In den letzten Jahren gab es, wie die Grafik zeigt, immer wieder mehr oder weniger starke „Verwerfungen“, leider meistens zu Ungunsten der Landwirte. Daher gilt es aus der Sicht der Landwirtschaft neben den teilweise bewährten traditionellen Absatzmöglichkeiten einen Weg zu finden, die Preisableitung der Braugerste an die Weizenentwicklung zu koppeln. Ein „freier Anbau“ der Braugerste ist dann verstärkt in Erwägung zu ziehen, wenn der Pariser Terminmarktfuture für Braugerste liquider wird und von daher eine marktgerechte Preisfindung ermöglicht. Über beide Möglichkeiten wird im Folgenden berichtet.
Preisorientierung am Weizenmarkt
Der Terminmarkt für Weizen in Paris ist sehr liquide, daher marktgerecht und der Kurs kann jederzeit eingesehen werden. Aus diesem Grunde bietet sich ein Braugersten-Prämienvertrag in Anlehnung an den Terminmarktkurs für Weizen an, in dem sich der Erzeugerpreis für Braugerste aus dem vom Landwirt zu fixierenden Terminmarktkurs plus einem Aufschlag, genannt Prämie, zusammensetzt. Die Prämie setzt sich aus der notwendigen Preisdifferenz zum Weizen abzüglich der Kosten für die Lieferung zum Verarbeitungsort zusammen. Ein Prämienkontrakt ist ein Kassamarktkontrakt, bei dem die Mengen, sowie die Liefer- und Zahlungstermine und natürlich die Qualitätsanforderungen festgelegt werden und er kann mit jedem Händler oder Verarbeiter abgeschlossen werden. Neben den genannten typischen Kontraktangaben wie bei einem Festpreiskontrakt wird statt dem Erzeugerpreis die Erzeugerpreisfindung exakt definiert. Der Prämienkontrakt eignet sich besonders für eine einzelbetriebliche Vermarktung in Teilmengen oder für die Bündelung von Ware mehrerer verschiedener Betriebe in Form von Rahmenverträgen zum Beispiel für Erzeugergemeinschaften. Die Preisfixierung erfolgt in Anlehnung an den Terminmarkt. Dabei ist die auszuhandelnde Prämie für die drei bekannten Fraktionen/Liefermöglichkeiten, direkt an den Verarbeiter, ab Hof-Verkauf oder Anlieferung in der Ernte an den Erfasser das wesentlichste Element. Je mehr Ware man anbieten kann, umso besser stehen die Chancen eine günstigere Prämie zu verhandeln. Eine größere Menge auf einmal verhandeln zu können und trotzdem in mehreren Teilmengen abrechnen zu können sind spezielle Vorteile des Prämienvertrages. Die Prämie beinhaltet neben dem Basisrisiko - nicht die aktuelle Basis, sondern die erwartete durchschnittliche Basis – auch die Kosten für die Lieferung zum Verarbeitungsort. Eine zeitlich ungebundene Verhandlung der Prämie - möglichst bei einer für den Erzeuger günstigen Marktkonstellation - und ein sicherer Absatz bei der Wahl des Abrechnungszeitpunktes durch den Erzeuger sind weitere Charakteristika.
Wesentliche Eckpunkte zur Preisfindung werden im Vertrag fixiert:
- · Als Preisfindung gilt der Weizen-Handelspreis der Warenterminbörse Euronext (Futures November, Januar, März, Mai), zu dem zum Zeitpunkt der Preisfindung (Realtime) gehandelt werden kann, abzüglich/zuzüglich einer Prämie von … Euro/t
- · Die Preisfindung muss spätestens 3 Wochen vor Auslaufen des jeweils gültigen Futures für Teilmengen ab 50 t erfolgen
- · Eventuell anfallendes Lagergeld wird bis zur Preisfindung mit … Euro/t/Monat berechnet
- · Bei nicht Erreichen der vereinbarten Qualität wird ein Preisabschlag von maximal ... Euro/t vereinbart
- · Valuta ist zwei Wochen nach der Preisfindung
Basis und Kosten ergeben zusammen die sogenannte Prämie, die von den jeweils gültigen Terminmarktkursen zur Erzeugerpreisableitung (siehe Übersicht) herangezogen wird. Nehmen wir zum Beispiel Landwirt Schmitz, der kein eigenes Lager besitzt. Dieser hat im vergangenen August für die Anlieferung in der Ernte 2014 bei einem Erfassungshändler einen Braugerstenkontrakt in Höhe von 200 Tonnen bei einer Prämie von 28 Euro/t abgeschlossen. Am 11. Jan. 2014 entscheidet er sich 50 Tonnen abzurechnen. Maßgeblicher Terminmarktkurs ist der Nov. 14 Future, der an diesem Tag zeitweise bei 184 Euro/t notiert. Addiert man zu diesem Terminmarktkurs die 25 Euro/t Prämie, so erhält er nach der Anlieferung in der Ernte einen Erzeugerpreis von 209 Euro/t. Sollte sich der Landwirt in den kommenden Monaten wieder zu einer Teilvermarktung entscheiden, so ist auch noch der dann festgestellte Terminmarktkurs des Nov. 14 Future zur Preisfindung relevant. Nehmen wir an, das wären dann 170 Euro/t, so ergibt sich ein Erzeugerpreis - nach Berücksichtigung der Prämie - in Höhe von 195 Euro/t. Genauso wird es bei einer Teilvermarktung im Februar 2015 gerechnet, nur dass dann der März 2015 Future den maßgeblichen Terminmarktkurs darstellt und ein Lagergeld berücksichtigt werden muss. Sie haben es sicherlich erkannt: Die Preisfindung macht Sie unabhängig von der „Laune“ des Abnehmers. Selbst wenn am Kassamarkt nichts los ist – und das ist oft der Fall, wenn dieser sinkende Kurse erwartet – können Sie verkaufen, was in Ihrem Sinne ist, wenn sinkende Kurse erwartet werden. Und dennoch ist und bleibt der Verkaufszeitpunkt auch beim Prämienkontrakt das entscheidende Element für den Durchschnittspreis der Vermarktungsperiode.
In der landwirtschaftlichen Praxis werden auch Prämienverträge zwischen Erzeuger und Mäster mit z. B. der Preisbindung der Wintergerste als Futter an die Weizenpreise diskutiert. Hierbei ist als Bestandteil der Prämie ein Abschlag zwischen 10 bis 20 Euro/t vom Weizenkurs im Gespräch. Warum sollte man nicht auch bei der Braugerste ein ähnliches Modell kreieren? Auch wenn die Preise zwischen Braugerste und Weizen nicht immer parallel verlaufen, mittelfristig gleichen sich die Abweichungen immer wieder aus.
Die Preisfindung für Braugerste am funktionierenden Terminmarkt
Wenn auch der „junge“ Terminmarktfuture für Braugerste mit nur wenigen Kontrakten (ein Kontrakt hat 50 Tonnen) am Tag wenig liquide ist und damit Preisverwerfungen gegenüber dem Kassamarkt möglich sind, ist diese seit Mitte 2010 gebotene Absicherungsmöglichkeit eine Überlegung wert. Beim Braugerstenfuture werden zurzeit selten tausend Kontrakte pro Monat überschritten - beim Weizen sind es 25.000 Kontrakte pro Tag, sprich über eine Million Tonnen. Im Prinzip werden am Terminmarkt die Preisveränderungen abgesichert, während das Geschäft am Kassamarkt in jedem Fall auch erfolgen muss. Die Glattstellung der Terminmarktkontrakte muss zeitgleich mit dem Verkauf der physischen Ware erfolgen und zwar in der Reihenfolge zuerst der Verkauf der physischen Ware und anschließend direkt die Glattstellung am Terminmarkt. Bei einer Absicherung am Terminmarkt kann man das Qualitätsrisiko bei der Vermarktung ausschalten, in dem man erst nach der Ernte die in der Qualität bekannte physische Ware verkauft. Dieses ist insbesondere dann von Vorteil, wenn man die ansonsten im Kassamarktkontrakt fixierte Qualität nicht einhalten kann. Man ist dann im Kassamarktverkauf „frei“ und kann gezielt entsprechend der geernteten Qualität verkaufen. Eine Terminmarktabsicherung nimmt dem Braugerstenanbau das Qualitätsrisiko, was auch zur Berechnung der Rentabilität monetär bewertet werden muss. Wesentlich bei einer Absicherung über den Terminmarkt sind die Beherrschung des „Terminmarkt-Ein mal Eins‘ “, die vorhandene Liquidität und die Disziplin, die Absicherung exakt durchzuziehen und nicht zwischendurch wieder in eine Spekulation zu verfallen.
Fazit
Der bisher praktizierte Braugerstenanbau verliert bei den Landwirten immer mehr an „Boden“. Der vertragsfreie Anbau beinhaltet ein hohes Preisrisiko, wie es bei vielen Nischenprodukten bei nur geringem Marktungleichgewicht der Fall ist. Der bisher weitgehend gepflegte Vertragsanbau, der selten mit befriedigenden Preisen und zusätzlich hohem Qualitätsrisiko einhergeht, verliert immer mehr Freunde. Die geschilderte indirekte Absicherung am Terminmarktfuture für Weizen oder die direkte Absicherung am Pariser Terminmarktfuture für Braugerste sind in der Praxis zwar weitgehend neu und unbekannt, aber tiefergehende Überlegungen wert.
Wie bei vielen neuen Sachen müssen beide Seiten, Abnehmer und Anbauer, den Sinn des „Neuen“ erkennen und wollen. Die Vorteile beim Landwirt sind klar: Die Erzielung eines auskömmlichen Preises und die Begrenzung des Qualitätsrisikos verbunden mit einer Rentabilität auf Weizenniveau. Beim Abnehmer steht auf der positiven Seite: Der Einkauf zu einem marktgerechten Preis, die rechtzeitige Sicherung der benötigten Mengen und gewünschten Qualitäten und der Wegfall der „ewigen Querelen“ bei den Preisverhandlungen. Ziel ist eine für Anbauer und Abnehmer sachgerechte Preisfindung, die dem Landwirt eine konkurrenzfähige Verwertung seiner Ackerfläche ermöglicht. Daher gilt nach dem Motto des Automobilherstellers Henry Ford „Suche nicht nach Fehlern, suche nach Lösungen“.