Eiweißlücke der EU durch Selbsterzeugung schließen – und die Konsequenzen?
Die EU hat eine Mio. t schwere Eiweißlücke zur Bedarfsabdeckung in der Tierfütterung. Rd 20 Mio. t Sojaschrot und 10 Mio. t Sojabohnen werden jährlich importiert. Die Ware stammt zum überwiegenden Teil aus Südamerika mit Schwerpunkten Argentinien und Brasilien. Allerdings gehen die Einfuhren seit Jahren zurück, weil mit dem Rapsanbau ein alternatives, wenn auch nicht gleichwertiges Produkt vorhanden ist. Der EU-Anbau von eiweißhaltigen Hülsenfrüchten reicht gerade für 2,6 Mio. t fast jeweils zur Hälfte aus Ackerbohnen und Futtererbsen bestehend.
Aus verschiedenen Beweggründen wird immer wieder die Forderung vorgetragen, die Eiweißerzeugung im eigenen Lande zu forcieren. Im Rahmen der Greening-Aktionen erhält dieses Ansinnen nach vermehrtem Eiweißpflanzenanbau vermehrte argumenative und finanzielle Unterstützung. Neben mehr Biodiversität kommen auch die Folgen für den brasilianischen Regenwald auf den Tisch. Auch die verpönte Gentechnik spielt eine argumentative Rolle. Im Öko-Landbau wird der Sojaeinsatz sehr kritisch gesehen.
Die Folgen einer vermehrten Eiweißerzeugung in der EU zu Lasten der Importe werden im Regelfall nicht zu Ende gedacht.
Der vermehrte Anbau an Eiweißpflanzen verdrängt Getreide. Getreideerträge in Deutschland beziffern sich im Durchschnitt auf 7,5 t/ha, im Falle von Weizen sogar um die 8 t/ha. Erbsen und Ackerbohnenerträge liegen bei 3,5 t/ha bei sehr großen Schwankungen in Einzeljahren bis zu Totalausfällen.
Berechnet man das Verhältnis über den Eiweißgehalt stehen 12,5 % Rohprotein im Weizen rd. 26 % RP in den Eiweißpflanzen gegenüber. Bei doppelt so hohen Weizenerträgen gleicht sich die Eiweißbilanz fast aus. Dabei wird jedoch die unterschiedliche Eiweißwertigkeit gemessen am Lysingehalt nicht berücksichtigt. Legt man die Eiweißwertigkeit als Vergleichsmaßstab zugrunde, müßte mangels sonstiger Alternativen künstlich hergestelltes Lysin in 4-facher Menge produziert werden.
Die verdrängten Weizenerträge müßten auf anderen Standorten ersetzt werden. Dazu kämen die freigewordenen Sojaflächen in Nord- und Südamerika in Betracht. Allerdings bewegen sich die Weizenerträge in diesen Regionen zwischen 2,5 bi 4 t/ha. Um die gleiche Menge an Getreide zu erzeugen, bedarf es mindestens einer zweifach so großen Fläche auf den Ersatzstandorten. Die angestrebte Schonung des Regenwaldes verkehrt sich ins Gegenteil.
Rechnet man die Sache auf EU-Ebene hoch, dann müßten ohne Berücksichtigung der Eiweißwertigkeit 16 Mio. ha Erbsen und Ackerbohnen angebaut werden. Bei 7,5 t/ha in der EU fehlen rd. 118 Mio. t Getreide. Anstelle von 35 Mio. t EU-Getreideexport müßte die EU über 80 Mio. t Getreide zu Lasten anderer Importländer u.a. Entwicklungsländer importieren. Das sind rd. 30 % des Welthandels. Die EU hätte die Kaufkraft diesen Einfuhrbedarf zu decken, die übrigen Länder auch? Von der Verteuerung ganz zu schweigen!
Der Grundsatz, die jeweiligen Standortvorteile durch Arbeitsteilung (siehe Ricardo, Komparative Kostenvorteile) zu nutzen, ist in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht sinnvoll. Damit werden die drei wesentlichen Kriterien von Nachhaltigkeit erfüllt.