Die Entwicklung der Landwirtschaft bis zum Jahre 2022 - OECD/FAO‑Agrarausblick 2013
Die weltweite Ernährungswirtschaft vor der Jahrtausendwende war geprägt durch agrarpolitisch verursachte Produktionsüberschüsse in zentralen Industriestaaten. Dagegen wurde in den meisten Entwicklungsländern ein mäßiges Wirtschaftswachstum und Nahrungsmittelknappheit bis zur Unterernährung festgestellt. Eine unzureichende Nahrungsversorgung gibt es in einigen Gebieten heute immer noch, aber es haben sich sog. Schwellenländer herausgebildet, die weltweit zunehmenden Einfluss ausüben.
Politische Reformen und Wirtschaftswachstum in den zurückliegenden 2 Jahrzehnten haben die Nachfrage‑ und Angebotsbedingungen weltweit verändert und die Landwirtschaft in einen stärker marktorientierten Sektor verwandelt.
In einer Gegenüberstellung der beiden Jahrzehnte 2003 bis 2012 und 2013 bis 2022 hat die Studie der FAO-OECD folgende charakteristischen Merkmale herausgestellt.
- Langsameres Wachstum der Agrarproduktion im kommenden Jahrzehnt: Die durchschnittliche jährliche Steigerung der wesentlichen Agrarrohstoffe soll nur 1,5 % statt wie in der vergangenen Periode 2,1 % betragen. Zunehmende Ressourcenknappheit und steigende Rücksichtnahmen auf Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz verursachen höhere Kosten, die den Wachstumsprozess beeinträchtigen. International wird es dabei Unterschiede bezüglich Niveau und Ausmaß geben.
- Getreide: Die Produktion wird voraussichtlich um 1,4% pro Jahr zunehmen, wobei 57% des Gesamtwachstums auf Entwicklungsländer entfallen. Thailand und Vietnam bleiben führende Reisexporteure, während die USA voraussichtlich der führende Exporteur von Weizen und Grobgetreide bleiben werden.
- Ölsaaten: Die Produktion wird voraussichtlich noch schneller wachsen als bei Getreide. Der Anteil von Palmöl an der gesamten Pflanzenölproduktion dürfte stabil bleiben und bei 34 % verharren.
- Zucker: Die Produktion wird voraussichtlich um fast 2 % pro Jahr zunehmen, wobei Brasilien und Indien die führenden Erzeuger sein werden. Der weltweite Zuckerverbrauch wird weiterhin von den Entwicklungsländern dominiert werden.
- Biokraftstoffe: im Falle von Ethanol wird mit einem Produktionsanstieg um fast 70% gerechnet, die Zunahme bei Biodiesel wird von einem niedrigeren Ausgangsniveau noch größer sein. Den Projektionen zufolge werden 2022 weltweit 28% der Zuckerrohrproduktion, 15% der Pflanzenöle und 12% des grobkörnigen Getreides auf die Biokraftstoffproduktion entfallen.
- Fleisch: 80% des Wachstums der weltweiten Produktion soll auf Entwicklungsländer entfallen. Das Wachstum des Pro‑Kopf‑Fleischverbrauchs wird sich in dem Maß verlangsamen, wie die großen Entwicklungsländer sich den Niveaus der entwickelten Länder annähern.
- Milcherzeugnisse: Das Wachstum der weltweiten Milcherzeugung wird voraussichtlich zu 74% von Entwicklungsländern verursacht werden. Der Verbrauch in den Entwicklungsländern wächst schneller als die Produktion. Steigende Exporte aus den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union sowie Neuseeland, Australien und Argentinien sind die Folge.
- Fischerei: Die Fischfangmenge wird um lediglich 5% zunehmen, während die Aquakultur voraussichtlich um 35% wachsen wird. Die Aquakultur dürfte den Wildfang bis 2015 als wichtigste Fischquelle für den menschlichen Verzehr überholen.
Der Konsum wird zunehmen: Die Verbrauchssteigerung wird verursacht durch Bevölkerungswachstum, höhere Einkommen, der Urbanisierung und sich verändernder Ernährungsgewohnheiten, allerdings in etwas langsamerem Tempo. Der Pro‑Kopf‑Verbrauch wird in Osteuropa und Zentralasien am schnellsten zunehmen, gefolgt von Lateinamerika und den anderen asiatischen Regionen.
Der Agrarhandel wächst weiter: Die aufstrebenden Schwellenländer werden erheblich zum
Wachstum des Handels beitragen und den größten Teil der Exporte von Grobgetreide, Reis, Ölsaaten, Pflanzenöl, Zucker, Rindfleisch, Geflügel und Fisch beisteuern.
Die nominalen Preise werden mittelfristig steigen: Die Rohstoffpreise sind im historischen Vergleich derzeit hoch. In naher Zukunft dürften die Preise für Anbaukulturen in der Folge der anziehenden Produktion zurückgehen, die Fleischpreise werden auf Grund niedriger Lagerbestände aber voraussichtlich hoch bleiben. Längerfristig dürften die Preise sowohl für pflanzliche als auch für tierische Erzeugnisse steigen, wobei der Preisanstieg bei Fleisch, Fisch und Biokraftstoff stärker ausfallen wird.
Die inflationsbereinigten Preise bleiben hoch: Sie dürften im kommenden Zehnjahreszeitraum aber unter den in den letzten Jahren verzeichneten Höchstwerten liegen.
Der Zusammenhang zwischen den Rohstoffpreisen und den von den Verbrauchern für ihre Nahrungsmittel tatsächlich gezahlten Preisen ist generell nicht eindeutig. So sprechen manche Befunde dafür, dass die Inflation der Nahrungsmittelpreise auf Verbraucherebene trotz der auf hohem Niveau verharrenden Rohstoffpreise nachlässt.
Da die Ausgaben für Nahrungsmittel in vielen Entwicklungsländern jedoch 20‑50% der Haushaltsbudgets ausmachen oder sogar noch höher sind, ist die Erschwinglichkeit von Nahrungsmitteln nach wie vor nicht überall gesichert.
Unsicherheitsfaktoren: Die globale Ernährungssicherheit ist nach wie vor durch Produktionsengpässe, Preisvolatilität und Handelsstörungen bedroht, insbesondere angesichts der niedrigen Lagerbestände. Eine großflächige Dürre, wie sie 2012 in den Vereinigten Staaten und in den GUS‑Staaten herrschte, könnte in Verbindung mit niedrigen Lagerbeständen bei den Anbauprodukten zu einem Preisanstieg um 15‑40% führen.
Die Energiepreise sind eine weitere Quelle der Ungewissheit, die sowohl die Biokraftstoffmärkte als auch die Vorleistungskosten betrifft. Der Welthandel ist noch anfälliger gegenüber Ertragsschwankungen und makroökonomischen Faktoren als die Produktion.
Eine Abwertung des US‑Dollar dürfte die relative Wettbewerbsfähigkeit anderer Exporteure mindern, die Kaufkraft vieler Importeure dagegen erhöhen.
Die Märkte spiegeln die Zweiteilung der Weltwirtschaft wider: Die Agrarmärkte sind zwar relativ widerstandsfähig gegenüber Konjunkturrückgängen, sie spiegeln aber nach wie vor die Auswirkungen einer zweigeteilten Weltwirtschaft wider, die durch eine schwache Erholung in den entwickelten Ländern und lebhaftes Wachstum in vielen Entwicklungsländern gekennzeichnet ist.