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Das Comeback des Nikkei

(Quelle: Welt am Sonntag vom 13.06.04)

Das Comeback des Nikkei

Erstmals seit dem Ende der 80er steht Japan vor einer nachhaltigen Aufschwungphase der Wirtschaft

von Michael Höfling

Junichiro Koizumi konnte sich lächelnd zurücklehnen. Als George W. Bush die europäischen Teilnehmer des G-8-Gipfels wegen ihres schwachen Wirtschaftswachstums tadelte, war der japanische Ministerpräsident außen vor. Denn Japans Wirtschaft hat die Wende zum Besseren geschafft. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft real um 2,7 Prozent.

Und vieles spricht dafür, dass es sich diesmal - anders als bei den kurzen Erholungen in den vergangenen zehn Jahren - um einen fundamental nachhaltigen Aufwärtstrend handelt. So scheint etwa bei den High Techs, die als Erste vom Aufschwung profitierten, der neue Trend stabil zu sein. Der Kamerahersteller Canon hob erst in der vergangenen Woche seine Gewinnprognosen um satte 20 Prozent an. Und schon rechnen die Analysten, dass auch andere japanische High-Tech-Unternehmen in Kürze mit ihren Gewinnschätzungen folgen. "Seit der Trendwende im letzten Juli ist die Nachfrage nach elektronischen Komponenten stark geblieben", stellt Tomohiro Murata von Morgan Stanley fest. Die Erholung, die den japanischen Aktienleitindex Nikkei 225 von seinem Tief 2003 um mehr als 50 Prozent nach oben getragen hat, kann also noch weitergehen.

Ein Hauptgrund für die wachsende Zuversicht sind die sich häufenden Anzeichen für ein Ende der Deflation. "Am Immobilienmarkt etwa hat sich nicht nur die Fallgeschwindigkeit der Preise reduziert, in Top-Lagen ziehen sie sogar wieder an", sagt Thomas Gerhardt, Leiter des Emerging-Markets-Teams bei der Fondsgesellschaft DWS.

Zudem hat Corporate Japan endlich Konsequenzen aus der Dauerkrise gezogen. "Gerade die kleineren bis mittelgroßen Unternehmen haben erkannt, wie wichtig Restrukturierungen sind", sagt Yasuyo Yamada, die bei Maintrust den Fonds MAT Japan New Horizon managt. "So können sie inzwischen auch bei geringem Umsatzwachstum ihre Gewinnsituation verbessern."

Das entspannt die Lage auch bei den Banken, lange Zeit größter japanischer Problemfall. "Die durch die verbesserte Ertragssituation der Unternehmen gestiegenen Aktienkurse führen dazu, dass auch die Sicherheiten an Wert gewinnen", sagt Gerhardt. "Die Gefahr von Firmenpleiten und damit auch von faulen Krediten hat sich reduziert." So gehörten die Banken denn auch zu den Top-Performern der vergangenen 15 Monate. Dennoch sieht Gerhardt im Finanzsektor noch Potenzial. "In den Kursen aus dem Frühjahr 2003 war praktisch die Pleite eingepreist", sagt er. "Allein diese Einschätzung ist mit der bisherigen Rallye korrigiert worden."

Viele Unternehmen gehen inzwischen sogar schon den aufgelaufenen Investitionsstau an. "Freie Mittel werden wieder verstärkt in Ausrüstungsinvestitionen gesteckt, um die Produktionsanlagen und IT-Systeme zu erneuern und auszubauen", sagt Håkan Hedstroem, Senior Portfoliomanager bei der Asset-Management-Gesellschaft Cominvest. Da sich zudem der private Konsum erfreulich entwickle und das Exportwachstum - zumindest bisher - anhalte, ruhe die Erholung in Nippon auf einem soliden Fundament.

Die Einschränkung "bisher" bei den Verkäufen ins Ausland hält Hedstroem allerdings für wichtig, sodass er die Entwicklung in der Volksrepublik genau beobachtet: "China hat einen Anteil am japanischen Export von rund 12,5 Prozent", sagt er, "der Anteil am Exportwachstum in 2003 hingegen lag bei rund 33 Prozent - das zeigt die Abhängigkeit Japans von China."

Dennoch setzt DWS-Mann Gerhardt ("ausschließlich Qualität!") neben Banken (Tokyo Mitsubishi Financial) und Immobilien (Mitsubishi Estate) auf Exportwerte. "Toyota erobert nicht zuletzt wegen der hohen Benzinpreise Marktanteile in den USA", sagt er. Aber High Tech bleibt angesagt: "Für interessant halten wir auch den Roboterhersteller Fanuc", so Gerhardt.

Kamiyama hingegen favorisiert Nebenwerte, weil sie vor allem von billigen Krediten profitieren. Denn auch, wenn die zuletzt positiven Wirtschaftsdaten ein nachhaltiger Trend werden sollten - die Bank of Japan wird wohl auf absehbare Zeit an ihrer Null-Zins-Politik festhalten. "Die Notenbank hat schon einmal mit restriktiver Geldpolitik einen möglichen Aufschwung abgewürgt", sagt Håkan Hedstroem. "Dieses Mal hält sie sich alle Optionen offen, die Zinsen nicht anzuheben."

Risiken wie der Terror und der Ölpreis indes bleiben. So warnt Hedstroem auch davor, den Optimismus zu übertreiben. "Es hat sich für Japan eingebürgert, Wirtschaftsdaten zu anualisieren", sagt er. Die Wachstumsquote eines Quartals werde dabei einfach auf das Jahr hochgerechnet. Außerdem würden die realen Wachstumszahlen durch den rechnerisch zu stark ausgewiesenen Preisrückgang verzerrt. "Das ist methodisch nicht ganz sauber und hat die Euphorie im Frühjahr überborden lassen." Und auch Enno Berndt, in Tokio tätiger Wirtschaftsprofessor, mahnt zur Vorsicht. "Der Hinweis auf die mehr als zehn Jahre dauernde Krise mag strukturell und mental stimmen", sagt er, "doch zwischen 1990 und jetzt hat es mindestens zwei konjunkturelle Erholungen gegeben: erst jene von 1996/97, die dann mit restriktiver Zins- und Steuerpolitik sowie durch die Asienkrise gestoppt wurde." Und dann die von 2000, die mit Staatsverschuldung und öffentlichen Konjunkturprogrammen einhergegangen und durch den politischen Kurswechsel mit Koizumi beendet worden sei. "Ich will nicht unken, aber das sieht mir nach einem stabilen Drei- bis Vierjahreszyklus aus", sagt Berndt.

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

So richtig kann ich mich mit dieser Art von Analyse nicht anfreunden. Aber es ist eine Alternative und passt ja hier "zufällig" herein.

"Noch ein Wort zum Nikkei-Index. Ein Vergleich des Nikkei ab 1990 mit dem Dow Jones Index ab 1929 - in beiden Jahren wurden Euphorie-Topps registriert – zeigt, dass sich der Nikkei nicht mehr in den 30er, sondern bereits – im übertragenenen Sinne – in den 40er Jahren befindet. Der Nikkei begann seinen Bärenmarkt 10 Jahre früher als der Dow Jones Index. Einen praktischen Unterschied macht das allerdings nicht: Auch der Nikkei steht diesem Chart zufolge vor einer Aufwärtsbewegung (blauer Pfeil)."
http://www.wellenreiter-invest.de

Gruß select

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Die Underperformance springt einem richtig ins Gesicht (Entscheidungsdruck baut sich auf). Mal sehen, wann sich das Augenmerk auf den Nikkei richtet. Momentan stehen andere Märkte in den Medien. Der Nikkei hat aber seinen Abwärtstrend seit 1990 nach oben verlassen. Keiner spricht davon -gut so! Auch wurde das Inside auf Monatsbasis nach oben aufgelöst. Hoffentlich ist/bleibt es Trendbestätigend:-)

Gruß Thomas

he96
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Seit XX Jahre ist mit NIKKEI (Aktien) nix zu verdienen - jede kleinere oder mittlere Erholung wurde schon x-mal als Trendwende verkauft und im Anflug abgeschossen.

Es gibt viele Märkte - warum MUSS man sich hier engagieren (wenn man es nicht schon tat) ?

gruss hans

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@he96

Ich bin ja nicht vor XX Jahren eingestiegen. Jeder Zyklus hat ein Ende. Und für den Beginn eines neuen Zyklus wird eben nicht getrommelt. Das ist ja hier mit die "Aufgabenstellung".

Gruß Thomas

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@he96

"Es gibt viele Märkte - warum MUSS man sich hier engagieren "

Ich habe ja weiter oben schon mehrere "vermutliche" Argumente dargelegt. Sind nicht die scheinbaren volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiver geworden. Ich male ja nicht nur "Linien". Halten wir nicht alle nach Opportunitäten Ausschau?

Gruß Thomas

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Ich hatte bei dem "Indicator 30.06." auf die Besonderheit des zweiten Halbjahr hingewiesen. Hier werden oft Entscheidungen im Sinne der Bilanz getroffen. Auch sieht man die verschiedenen Geschäftsjahre (z.B.2001-2004) wie hier Entscheidungen zugelassen wurden. In den Jahren 2001+2002 (untere Seite) und das Bilanzjahr 2003 (obere Seite) wurden im zweiten Halbjahr entscheidende Richtungen aufgenommen. Schwer vorstellbar das im Jahr 2005 unter dieser geringen Vola die Range "gehalten" wird. Scheinbar wird nun eine Entscheidung anstehen. Nur welche Richtung?:-)

Auch kann man die "Bedeutung" der 12000 Punktemarke in den Jahren 01,02,04 und 2005 erkennen.

Gruß select

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

"Auch kann man die "Bedeutung" der 12000 Punktemarke in den Jahren 01,02,04 und 2005 erkennen."

Immer diese Spielchen. Errinnert mich an meine Kindergartenzeit:-)

Gruß Thomas

cronopium
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Naja der Kindergarten besteht wohl aus einer riesigen Horde Analysten und Journalisten, die so oft darüber schreiben, bis auch jeder Anleger seine Stopps genau so positioniert oder schlicht Schiss vor so einer Marke hat und vorsichtig agiert.
So entsteht dann ein richtiger Hordentrieb scheint mir.

Das dann wohl mehr mit Gruppendynamik als allem anderen zu tun.

Überhaupt wächst mein Eindruck zunehmend, dass das EInschätzen der Markt(+teilnehmer)stimmungen und Tendenzen bei kurzfristigen Trades beinahe die größere Bedeutung hat als das Wissen um Hardfacts.

Gast

@cronopium

"Überhaupt wächst mein Eindruck zunehmend, dass das EInschätzen der Markt(+teilnehmer)stimmungen und Tendenzen bei kurzfristigen Trades beinahe die größere Bedeutung hat als das Wissen um Hardfacts"

Je kurzfristiger der timeframe desto gewichtiger ist die Markttechnik gegenüber der Fundamentalanalyse und umgekehrt. In einem 5 Minuten Candlechart dürfte die Gewichtung der Geschäftsentwicklung wohl nur die zweite Geige spielen :)

Gruß OPTRADE

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ geehrter Optrade

Schön das Sie sich auch zu Wort melden. :-)

"In einem 5 Minuten Candlechart dürfte die Gewichtung der Geschäftsentwicklung wohl nur die zweite Geige spielen :)"

Genau diesen Sachverhalt versuche ich ja zu "unterstellen". Wie schon oft geschrieben: "Ich setze mich in den Hubschrauber und versuche die Bilder zu erkennen. Dann kann ich diese Erkenntnisse/Vermutungen nach "unten" runterbrechen. Ich versuche mittel - langfristige Trends zu erkennen. Diese Erkenntnisse sollten dann bei weiteren praktischen Arbeiten "hilfreich" sein.

Gruß Thomas

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