Daytrading in Deutschland: Zum Zocken in den Keller

Von Ingmar Höhmann, Frankfurt

Day Trader melden sich dank Billigcomputern und Einheitstarifen zurück · Anleger meiden Handelszentren

(13.04.04) Neun Monitore, fünf Rechner, 1 Mio. Euro Handelsvolumen am Tag: Kein Büro einer Großbank, sondern der Arbeitsplatz von Markus Schuster (Name von der Redaktion geändert). Der 25-Jährige ist „Day Trader“ von Beruf. Und Millionär. Sagt er zumindest.

Von seinem Büro aus kauft oder verkauft der ehemalige Banker seit fünf Jahren bis zu 1000-mal am Tag Aktien, Terminkontrakte und Optionen. Day Trader handeln Wertpapiere in Sekundenschnelle, ihre Umsätze gehen oftmals in die Millionen, die Gewinnmargen sind aber niedrig.

Wie Schuster sind viele Day Trader Ex-Banker oder entlassene Börsenmakler. „Die Ehemaligen haben sich selbstständig gemacht“, weiß Mario Hipp vom Online-Finanzdienstleister Fimatex. „Und die können mit dem Vollzeit-Day-Trading ihren Lebensunterhalt verdienen. Wer in dem Geschäft überleben will, muss ein Ohr am Markt haben.“ Was nach der Börseneuphorie um die Jahrtausendwende aus der Mode kam, ist plötzlich wieder in. Onlinebroker verkünden steigende Kundenzahlen wie zuletzt Ende der 90er Jahre. Vieles hat sich seither verändert: Anders als früher machen heute schnelle DSL-Anschlüsse mit Einheitstarifen von weniger als 50 Euro im Monat den permanenten Internetzugang möglich. Schnäppchen-Computer von Aldi bieten riesige Speicherkapazitäten, der Flachbildschirm kostet nur noch ein paar Hundert Euro, komplexe Realtime-Chartsysteme gibt es ab 115 Euro monatlich. Hinzu kommen günstigere Handelsplattformen – Day Trading von zu Hause aus ist erschwinglich. Fast alles ist möglich, was früher nur Bankprofis vorbehalten war. Beim Düsseldorfer Spezialbroker Sino sind fast alle 277 Depotkunden Day Trader. Vor einem Jahr waren es knapp 200 Kunden. Die Nachrichten in Echtzeit der Agentur Reuters bekommen sie bei der Sino-Plattform für 128 Euro monatlich gleich dazu.

Wer viel handelt, bekommt sie sogar umsonst – und das sind fast alle Kunden. Mehrere Dutzend von ihnen kommen auf mehr als 10 Mio. Euro Handelsvolumen im Monat und müssen so den niedrigsten Provisionssatz von 0,1 % des Ordervolumens zahlen.

Von den Trading Centern, die vor Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen, haben nur wenige überlebt. In ihnen konnten Privatanleger für 500 Euro monatlich Arbeitsplätze mit mehreren Bildschirmen und direktem Zugriff auf die Börsenplätze mieten. „Die Leute schließen sich heute lieber im Keller ein, handeln dort und sprechen nicht über ihre Strategien“, sagt Dirk Piethe, Deutschland-Chef von E-Trade, einem der weltgrößten Onlinebroker. „In Schweden ist das anders: Da handeln die Leute Schulter an Schulter.“

Diesen Mentalitätsunterschied hat auch Wieland Steinich, Geschäftsführer des Onlinebrokers Agora Direct, als Grund für das Scheitern der deutschen Handelszentren ausgemacht: „Hier darf keiner wissen, was der andere verdient.“ In offenen Trading Centern könne das aber kein Geheimnis bleiben. Die Firma hat sich von ihren ehemals fünf Zentren verabschiedet – nicht rentabel. Das hat auch Trading-house.net schmerzlich erfahren müssen. Früher betrieb der Direct Broker zehn Trading Center. Jetzt sind es noch zwei mit 30 Handelsplätzen auf 150 Quadratmetern. Die acht anderen Filialen, die Franchise-Nehmer übernommen hatten, mussten ihre Pforten schließen.

Die überlebenden Trading Center dienen nur noch Nostalgikern als Handelsplatz. Sie sind meist nur Schulungsstätten für die neuen Heim-Day-Trader. Direct Broker Actior, in der Boomzeit bis 2001 mit 16 Zentren bundesweit vertreten, leistet sich immerhin noch zehn. Im März ist das Ordervolumen auf 340 Mio. Euro gestiegen, vor einem Jahr lag es bei 190 Mio. Euro.

„Früher waren die Kosten für jede Transaktion viel höher. Jetzt erreichen die Trader schneller die Gewinnzone“, erklärt Vorstandschef Stefan Behrs. Actior will sogar wieder zwei neue Zentren eröffnen – allerdings eher für Schulungen. „Es gibt kaum Privatanleger, die noch Plätze zum Traden mieten“, sagt Actior-Berater Carlos Martins. Agora Direct konzentriert sich nach dem Fiasko mit den Trading Centern nur noch auf die Online-Spekulanten. „Anfang des vergangenen Jahres war noch Totentanz. Aber jetzt eröffnen wir täglich drei bis vier neue Konten“, erklärt Geschäftsführer Steinich. Innerhalb eines Jahres sei die Kundenzahl von 150 auf mehr als 500 gestiegen. Wie passend, dass die Märkte derzeit so volatil sind. „Das wollen die Day Trader sehen“, sagt Steinich.

(Quelle: Financial Times Deutschland, www.ftd.de)

limitup
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ TimeTrade [#17]

Sehr gut!!! Genauso läuft es. Viele Börsenbriefe haben auch diese Rechtsform.

Grund: Es ist ganz schwer ersichtlich wer wirklich dahintersteckt und soweit ich weiss ist fuer alle deutsche LTD. nur ein Finanzamt zuständig, das Finanzamt Hannover...

scorpion260
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Ein interessanter Text über Daytrader an der Wallstreet. Über die Glaubhaftigkeit des Inhalts schmunzle ich etwas.

Möglich ist es schon, aber wahrscheinlich?

Ich stelle bewußt nur den Link rein, denn das Kopieren des Textes wird von der NZZ ausdrücklich verboten.

http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/4df896b6-4742-4eb7-9b2f-15ad67dc31f5.aspx

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