Kobban
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Sommerlektüre: Diese Bücher sollten Kapitalisten im Urlaub lesen

Sommerlektüre - Diese Bücher sollten Kapitalisten im Urlaub lesen

Von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz

Die Finanzkrise hat viele Gewissheiten erschüttert. Eine Reihe von intelligenten Wirtschaftstiteln sucht die Spuren der Zeit zu deuten. Die Bücher für den Reisekoffer nehmen sich eherne Theorien der Märkte vor, erfinden Alternativen, kritiseren Angsthasen und Gierhälse. WELT ONLINE hat die Werke studiert.

weltonline.de (05.07.09) - Vom dem Philosophen Karl Popper stammt das Diktum, dass Theorien nie bewiesen, sondern nur verworfen werden können. Die Finanzkrise war so ein Popper-Moment, in dem die Theorien fielen wie die Fliegen. Effiziente Börsen und Selbstregulierung der Kapitalmarktakteure sind nur zwei der Ideengebilde, die in Misskredit geraten sind. Als Alan Greenspan vergangenen Oktober vor den Finanzausschuss des US-Kongresses geladen war, musste der frühere Fed-Chef eingestehen, dass er den Selbsterhaltungstrieb der Marktakteure und die kollektive Intelligenz der Investoren überschätzt habe.

Mit Greenspans Canossagang lässt auch Justin Fox sein Buch The Myth of the Rational Market beginnen. Der Wirtschaftsreporter des "Time"-Magazins arbeitet sich darin an der seit vier Jahrzehnten dominierenden ökonomischen Lehrmeinung der effizienten Märkte ab: In den Marktpreisen sind sämtliche relevanten Informationen enthalten, sodass jeder Eingriff für die Volkswirtschaft nur Schaden anrichtet, sagt die Theorie. Nicht ganz, sagt Fox. Da draußen sind nicht nur rational agierende Anleger, sondern auch Angsthasen und Gierhälse oder beides in einer Person, deren quasi bald panische, bald euphorische Entscheidungen die Notierungen extrem verzerren können. Seit 1925 gab es nicht weniger als 30 psychologisch-getriebene Spekulationsblasen, die sämtlich in einen Crash mündeten. Das lässt die Effizienzmarkthypothese wenig plausibel erscheinen.

Die Stärke von Fox' Buch liegt darin, dass er den Leser jenseits aller Polemik mit den Protagonisten bekannt macht, die den Kampf um die Hypothese von den rationalen Märkten ausgefochten haben. Harry Markowitz, der Erfinder der Portfolio-Theorie, sein Schüler William Sharpe sowie LTCM-Pleitier Myron Scholes werden mit Stärken und Schwächen ihrer Theorien vorgesellt. Die Tour d'Horizon endet mit dem Finanzpsychologen Daniel Kahneman und dem Verhaltensökonomen Robert Shiller, die in jüngerer Zeit versucht haben, ein neues Paradigma zu etablieren, das die Bedeutung irrationaler Entscheidungen für das Marktgeschehen unterstreicht. "Die Theorie der effizienten Märkte ist der teuerste Irrtum in der Geschichte des ökonomischen Denkens", wird Shiller zitiert.

Shiller, Professor an der US-Elitehochschule Yale, hat als eigenen Beitrag das Buch Animal Spirits auf den Markt gebracht. Zusammen mit Nobelpreisträger George Akerlof geht er der Frage nach, wie es sein konnte, dass die globale Ökonomie im Herbst 2008 zusammenbrach. Den Begriff "animal spirits" entlehnen die beiden Autoren ihrem Vorbild John Maynard Keynes, der damit auf jene quasi-tierischen Instinkte abhob, die den Menschen jenseits aller Rationalität leiten: Schlagen diese Instinkte ins negative Extrem um, droht der Weltwirtschaft ein Armageddon. Mit ihrem Buch wollen die beiden einen Anstoß dafür geben, die Vitalkräfte der Ökonomie wiederzuerwecken. Dabei plädieren sie für die Förderung positiver Einstellungen wie Vertrauen und Fairness und für die Zurückdrängung von Korruption und Misstrauen auf dem Globus. Das Wirken der "animal spirits" erklärt nach Shiller und Akerlof die extreme Volatilität der Kapitalmärkte und der Weltwirtschaft, wie sie die Effizienzmarkthypothese nicht herleiten könnte.

Von Panik am Markt handelt auch das Buch Sturm an der Börse, das das Wort sogar im Untertitel führt. Der Leser findet sich darin mitten im (nahezu vergessenen) Krisenjahr 1907 wieder. Aus heiterem Himmel brach damals eine Liquiditätskrise über die Wall Street herein, die frappierende Ähnlichkeiten zum Lehman-Hiatus des vergangenen Jahres hatte. Die Brüder Augustus und Otto Heinze hatten versucht, den Rohstoffkonzern United Copper unter ihre Kontrolle zu bringen. Mit einer "Bärengriff" genannten waghalsigen Operation versuchten sie, alle missliebigen Anteilseigner aus dem Unternehmen zu drängen. Dazu nahmen sie Kredite im großen Stil auf. Die gewagte Spekulation floppte und trieb im Oktober 1907 nicht nur die Brüder in den Ruin, sondern auch die Geldhäuser, die ihnen das Geld geliehen hatten. Nun überschlugen sich die Ereignisse. Von einem Moment auf den anderen kippte - ähnlich wie 2008 - das Vertrauen in das Finanzsystem. In New York und anderswo kam es zu einem Sturm auf die Bankschalter, große Adressen wie die Trust Company of America fielen um wie Dominosteine. Zu den Opfern gehörte auch die einflussreiche Knickerbocker Trust, eine der mächtigsten Firmen im damaligen Emerging Market USA. Erst als mit John Pierpont Morgan der einflussreichste Bankier seiner Ära hastig einen Geldpool ins Leben rief, aus dem die angeschlagenen Banken neue liquide Mittel schöpfen konnten, entspannte sich die Lage. Zur Beruhigung der Gemüter ließ Morgan mitten am Tag prall gefüllte Geldsäcke zu den schwachen Instituten tragen. Der Sturm an der Börse legte sich fast so schnell, wie er gekommen war, der Dow Jones Index erreichte schon 1908 Vorkrisen-Niveau. Dennoch waren die Folgen weitreichend. So wurde in Reaktion darauf 1913 die Federal Reserve als landesweite Zentralbank ins Leben gerufen, die künftig dafür sorgen sollte, dass sich derartige Liquiditätskrisen nicht wiederholen - mit wechselndem Erfolg, wie man heute weiß.

Einen weiteren Blick in die Wirtschaftsgeschichte wirft das Buch False Economy. Autor Alan Beattie, vielen als Korrespondent der "Financial Times" bekannt, geht darin der Frage nach, warum der Wohlstand so ungleich zwischen den Staaten der Welt verteilt ist. Warum sind zum Beispiel die USA zu einer Wirtschaftssupermacht aufgestiegen, während Argentinien auf der Südseite der Erdhalbkugel mit ähnlichen Voraussetzungen von einer Krise in die nächste schlittert. Oder warum muss Ägypten die Hälfte seiner Lebensmittel importierten, obwohl es zur biblischen Zeit als eine Kornkammer der Welt galt? Warum machte Indonesien mit einem autokratischen Herrscher beträchtliche wirtschaftliche Fortschritte, während Tansania unter einem rechtschaffenen Staatschef ökonomisch nicht vom Fleck kam? Beattie liefert eine überraschende Antwort: Es gibt gute und schlechte Korruption. In Tansania mussten Dutzende Beamte geschmiert werden, um ein Projekt zum Laufen zu bringen, in Indonesien meist nur einer, wodurch Prozesse extrem viel schneller abliefen. Beattie zertrümmert so manche unserer Gewissheiten und entwirft eine eigene originelle Lesart der globalen Wirtschaftsgeschichte.

Um zertrümmerte Gewissheiten geht es auch in I.O.U.S.A. ... und vergib uns unsere Schuld(en), einem Werk des Autorenduos Addison Wiggin und Kate Incontrera. I.O.U. steht im amerikanischen Sprachgebrauch für einen Schuldschein, und im Buchtitel verschmilzt die Buchstabenkombination mit dem Namen USA. Nichts könnte die Brisanz des Buches deutlicher machen als die jüngsten Nachrichten aus Kalifornien. Der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA gab bekannt, seine Verpflichtungen wegen leerer Kassen ab 1. Juli mit solchen I.O.U.s begleichen zu müssen. Doch ist Kalifornien allenfalls einen Schritt weiter als der Rest Amerikas: Die Vereinigten Staaten verwandeln sich mehr und mehr zur einer Schuldenrepublik. Teil eins des Buches nennt die wichtigsten Fakten zur sich verschärfenden Schieflage der USA. In Teil zwei führen die Autoren Interviews mit den wichtigsten Spielern auf der Bühne der amerikanischen Staatsfinanzen. Der oberste Buchhalter spricht von einen "finanziellen Krebs", der die größte Wirtschaftsnation auf dem Planeten befallen habe. Warren Buffett prangert an, dass die Amerikaner deutlich mehr konsumieren als produzieren.

Von dem reichsten Mann auf dem Planeten handelt Warren Buffett – Das Leben ist wie ein Schneeball. (Beeindruckende Biografie und fast eine Bibel für Anleger. Alice Schroeder: Warren Buffett - Das Leben ist wie ein Schneeball. Finanzbuch Verlag, 1287 Seiten, 34,90 Euro.) Alice Schroeder zeigt den Jahrhundertinvestor aus Omaha auf knapp 1000 Seiten ungeschminkt. Der Leser lernt, dass ein kluger Anleger den vermeintlich unbezwingbaren da effizienten Markt eben doch schlagen kann - sogar langfristig. Dass nur wenige Ingredienzien notwendig sind, um zum Überflieger zu werden, behauptet US-Starautor Malcolm Gladwell in seinem gleichnamigen, mit Anekdoten gespickten Buch. Außergewöhnlicher Erfolg im Leben, so die These, hat nicht allein mit intellektueller Überlegenheit und rationalen Entscheidungen zu tun, sondern hängt in hohem Maß vom Zufall ab.

(Quelle u. 10 Zitate übern Kapitalismus:
http://www.welt.de/wirtschaft/article4062309/Diese-Buecher-sollten-Kapitalisten-im-Urlaub-lesen.html)

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Ich persönlich werde wohl nix davon lesen - schon aus Zeitmangel, bzw. wie man heute sagt: Zeitmanagement

dhp05
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Kobban [#11]

"Bis auf zwei, drei....."

Lotterie und Börse waren bei mir die Stolperwörter. Das war mir dann aber zu offensichtlich, so dass ich es wieder verworfen habe.

Mit Fontane lieg ich gar nicht so schlecht. In der von dir reingestelllten Übersetzung ließt sich der Text wie aus der Schule des poetischen Realismus.

Bin nun doch gespannt, ob lotterie und Börse im Original enthalten.?

Kobban
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ dhp05 [#12]

"Bin nun doch gespannt, ob lotterie und Börse im Original enthalten.?"

Im Original, bzw. der Übersetzung von Ernst Merian-Genast, steht dort:

"So hat man auch durch das ausschließliche Reden von großen Treffern die Lotterie berühmt und die Narren arm gemacht."

Börse (und aaO: Drehbuchschreiberlinge) hab ich draufgesattelt!

Bunsenbrenner
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Und ich habe nun schon zum zweiten mal mit Vergnüben gelesen:
"Der Schwarze Schwan" von Nassim Nicholas Taleb (auch wenn es sich um einen narzisstischen Autor handelt).

Das Vorgängerbuch "Narren des Zufalls" ist auf meiner Geburtstags-Wunschliste.

Alles Gute
Bunsenbrenner

select
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Kobban [#7]

Was ist schon eine Familie? Für mich ist diese dort, wo sich Erziehungsberechtigte um die Kinder aufhalten. Liebe, Hass, Verachtung, Unterdrückung, verbale,-sexuelle- und körperliche Gewalt werden stündlich an Kindern ausgeübt. Meist geschieht das in seiner Häufigkeit in der Familie. Das ist der Ursprung für die Zukunft der Gesellschaft, welche dann über die Zunahme der Lebensjahre der Kinder durch weitere Umwelteinflüsse zunimmt.

Hier die Verantwortung auf andere weiterzureichen, die nach der "Familie" anstehen ist vermessen. Erziehung geht dort los, wo Probleme beginnen.

"als von der Vorsehung gewollte Übung unsrer Geduld und beständige Gelegenheit zu stillem Heldentum."

Das sollte man mal einem Kind verdeutlichen, welches blutig geprügelt wurde.

tantan
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Neu auf dem Markt:

Optionsstrategien für jede Marktphase
von Sebastian Hell

426 Seiten
32,95 Euro
Re DI Roma-Verlag
ISBN-13: 978-3868700855

Kobban
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Die Rattenfänger der Wall Street - von Benjamin M. Cole

http://uploading.com/files/0UEZG8JT/359336896x.pdf.rar.html
http://www.filefactory.com/file/agga8ce/n/359336896x_pdf_rar
(einer von den beiden links wird wohl funktionieren)

Kurzbeschreibung

Aus den kritischen Beobachtern des Aktienmarktes sind Rattenfänger geworden, die - unterstützt von Fernsehen, Internet und Printmedien - verführerische Flötenklänge anstimmen, um die Anleger zu manipulieren. Benjamin Mark Cole deckt die Interessenkonflikte der Aktienexperten auf, die objektive Empfehlungen unmöglich machen, nennt zahlreiche prominente Namen aus der Analystenszene und beschreibt die Hintergründe der Skandale, die durch die Presse gingen. Das Nachwort von Bernd Niquet nimmt Bezug auf die deutsche Situation und stellt die derzeitige Diskussion um den so genannten Analystenkodex und die Neuregelung der Finanzmärkte dar.

Ausgezeichnet mit dem Wirtschaftsbuchpreis 2001 der Financial Times Deutschland und der get abstract AG in der Kategorie "Finanzbuch International".

Marzell
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

""Das Fest des Ziegenbocks"" von Mario Vargas Llosa.

Es geht um die Aera Trujillo in der Dominikanischen Republik. Würde ich als einen der besten Romane ansehen.

Hat Parallelen mit den den arabischen Ländern wie beispielsweise Lybien.

Grüsse
Marzell

DEerredux
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Jesse Livermore: How to trade in Stocks. Gesprächsaufzeichnungen der Wallstreet-Legende, die 1940 mit einem 38er Revolver Selbstmord beging. Im Abschiedsbrief an seine Frau stand: "Ich bin ein Versager".

Sowie ähnlich, aber moderner: Jason Alan Jankovsky: What I learned (and lost) tradig the Chicago Futures markets. Sehr hübsch seine Erzählungen über die Bunga-Bunga-Parties der Chicagoer Winkelmakler und Broker und deren Betrug am Kunden.

Alles menschlich, oder?;-)

Marzell
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

von Hans-Joachim Zillmer: Der Energie-Irrtum.
Warum Erdgas und Erdöl unerschöpflich sind.

Grüsse
Marzell

zentrader
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Marzell [#20]

sehr guter Hinweis. Kontroverse Diskussionen zu Mainstream-Themen sind wichtig! Hier nochmals als Link:
http://www.amazon.de/Energie-Irrtum-Warum-Erdgas-Erd%C3%B6l-unersch%C3%B6pflich/dp/3776626089#_

Gibt's auch eine Version in englisch? So koennten die Amerikaner ihr naechstes "Irak"-Abenteuer eventuell vermeiden...

ciao,
zentrader

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