Brexit am 31. Okt.2019 (Halloween) - Wirklich so schrecklich?
Mit dem herannahenden Austrittstermin Großbritanniens aus der EU werden katastrophale Szenarien heraufbeschworen. Auf beiden Seiten des Kanals wird ein Chaos mit unbekannten Ausgang erwartet. An den Grenzübergängen sollen sich wochenlang Waren und Menschen stauen. Aus Angst davor werden schon jetzt Aufträge ausgesetzt, die Produktion reduziert, Arbeitskräfte entlassen, verstärkt Zöllner eingestellt und die Hafenanlagen ausgebaut; das Wirtschaftswachstum gerät auf absehbare Zeit ins Trudeln. In Großbritannien erwartet man Engpässe bei der Nahrungsmittelversorgung, weil das Land 30 % der Lebensmittel aus der EU einführen muss.
Wie realistisch sind die Befürchtungen?
Das Ifo-Institut in München hat eine Modelluntersuchung aktualisiert, um die möglichen Auswirkungen eines No-Deal-Brexit auf das Einkommen hinsichtlich Produktivitäts- und Preisänderung in den beteiligten Ländern bis auf Regionalebene einzuschätzen.
Großbritannien und Irland haben die größten Beeinträchtigungen beim Haushaltseinkommen
zu verkraften. Die Briten sollen -2,7% verlieren; das sind Je Kopf und Jahr Einbußen von durchschnittlich 875 €. Die Maschinenbau- und Pharmaindustrie sowie der Lebensmittelhandel sind stark betroffene Wirtschaftsbereiche. Für den Standort London mit seinen vielen Finanzfirmen berechneten die Wirtschaftsforscher sogar Verluste von 5.800 €/Kopf und Jahr.
Die Republik Irland soll mit -8,16 % am stärksten betroffen sein. Auf der grünen Insel spielt die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle. Die Lieferungen von Milch- und Fleischprodukten werden an der Grenze zum britischen Nordirland zu einem Problem werden. Aus Angst vor zukünftigen Zollabgaben und möglichen Behinderungen sind bereits übliche Vorausgeschäfte unterblieben. Die Folge sind massive Preiseinbrüche in Irland.
Für die Niederlande errechnen die Experten einen Verlust von -1,64 % bis -1,71 %. Insbesondere die Hafenstandorte werden durch den zu erwartenden stockenden Verkehr belastet werden. Mit -1,4 bis -1,5 % kommt auch Belgien nicht unbeschadet davon. Frankreichs Einbußen werden auf -0,54 % geschätzt.
Deutschland soll Einkommenseinbußen von -0,72 bis -0,80 % hinnehmen müssen. Schwerpunkt ist der industrielle Bereich, insbesondere in der Automobilwirtschaft. Für die einzelnen Bundesländer ragt der Umschlagplatz Hamburg mit -170 €/Kopf und Jahr besonders heraus, aber auch NRW und Baden-Württemberg sind mit -126 bzw. -116 €/Kopf und Jahr betroffen.
Von den skandinavischen Ländern soll Dänemark mit – 0,90 % und Schweden mit -0,80 % belastet werden. Norwegen hingegen soll aufgrund der Rohöllieferungen um +0,5 % bis +0,6 % profitieren.
Bis auf Großbritannien und Irland bewegen sich die Einkommenseinbußen in noch überschaubaren Bereich. Es besteht kein Grund für Katastrophenszenarien. Auf den beiden Inseln jedoch wird der Brexit kräftiger und nachhaltiger zu spüren sein.