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07.19
15:50

Mercosur-Abkommen in der Debatte

Vorläufiges Mercosur-Abkommen – Autos gegen Agrar - Vor- und Nachteile - überzogene Kritik

Nach 20 Jahren Verhandlungsdauer wurde auf den Tag genau ein vorläufiges Papier eines Freihandelsabkommens mit massiven Zollabbau der EU mit den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Uruquay und Paraguay zur Ratifizierung vorgelegt.

Gegenstand des „Mercosur“-Vertrages ist ein weitgehend zollfreier bzw. zollbegünstigter Warenaustausch zwischen den Vertragspartnern mit rd. 250 Mio. Menschen auf der Mercosurseite und rd. 500 Mio. Verbrauchern in der EU. Die Südamerikaner wollen 91 % ihrer Einfuhrzölle über einen Zeitraum bis zu 10 Jahren auf Null abbauen. Im Gegenzuge will die Europäische Union 92 % ihrer Importzölle auf null zurücksetzen.

Auf Seite der Europäer dürfte davon vor allem die Industrie profitieren. Die Mercosur-Staaten haben bisher auf EU-Autoimporte 35 % und auf EU-Maschineneinfuhren bis zu 20 % Zölle erhoben. Der zukünftige Zollsatz wird auf Null runtergefahren. In der Summe sollen die europäischen Exporteure rund vier Milliarden Euro an Zöllen jährlich ersparen.

Ausnahmen für EU-Agrarbereich

Im empfindlichen Bereich der Agrargüter werden jedoch Einschränkungen gemacht. Dabei handelt es sich vornehmlich um EU-Importe von Rind-, Schwein-, Geflügelfleisch, Zucker, Reis, Bioethanol sowie Honig, Zuckermais, Obst Spirituosen, Babynahrung und 350 weiteren Einzelprodukten des Zollkatalogs; Milchpulver, Käse, Wein u.a. stehen auf der EU-Exportliste. Die Übergangsfrist reicht von 6 bis 15 Jahre.

In der Hauptsache sollen für den EU-Agrarimport zollreduzierte Einfuhrkontingente gelten: 99.000 t Rindfleisch, 180.000 t Geflügelfleisch, 25.000 Schweinefleisch, 180.000 t Zucker und 650.000 t Bioethanol. Die Umsetzung soll in diesen Fällen in 6 aufeinanderfolgenden Jahren stattfinden. Der Zoll soll für diese Teilmengen auf 7,5 % zurückgesetzt werden. Für beide Seiten werden 30.000 t Käse und 10.000 t Milchpulver zollfrei eingeräumt.

Bisherige Zollkontingente

Zollbegünstigte Agrar-Einfuhrkontingente kennt die EU seit Jahrzehnten. Im Falle von Rindfleisch verfügen die Mercosurstaaten wie Argentinien (30.000 t), Brasilien (11.000 t), Uruquay (7.000 t) und Paraquay (3.000 t) zusammen über ein 55.000 t zollbegünstigtes Lieferrecht in die EU mit nur 20 % Wertzoll. Es handelt sich um hochwertiges Rindfleisch, sog. Hilton beef.

Die Mercosurstaaten haben jedoch im Durchschnitt der letzten 3 Jahre insgesamt rd. 230.250 t (=70 % der EU-Einfuhren) geliefert. Die nicht zollbegünstigten Mengen werden mit 12,8 % Wertzoll auf den Einfuhrwert plus 2,21 €/kg verteuert.

Beispielsrechnung: Bei einem Einstandspreis von 3,50 €/kg + 0,45 €/Kg Wertzoll +2,21 €/kg errechnet sich ein Mindesteinfuhrpreis von 6,41 €/kg. Im Rahmen des bestehenden Einfuhrkontingents werden nur 20 % Zoll auf den Importwert aufgeschlagen also 4,20 €/kg Mindesteinfuhrpreis. Damit bleiben nur noch hochwertige Teilstücke vom Rind in der EU wettbewerbsfähig.

Zukünftig sollen für 99.000 t Rindfleisch (= 25 % der EU-Einfuhren) nur 7,5 % Wertzoll erhoben werden, gemessen am EU-Rindfleischverbrauch sind das nur 2,7 %.

Was wird passieren: Bei einem weitgehend unveränderten Gesamt-EU-Import werden bisher hochverzollte Mengen gegen die neuen zollbegünstigten Mengen getauscht.

Die EU importiert um die 33.500 t Schweinefleisch, das zu mehr als 60 % aus der Schweiz und der Rest aus EU-Nachbarländern stammt. Bezogen auf die Gesamterzeugung sind das 0,15 %. Der allgemeine Zollsatz beträgt 0,869 €/kg bzw. im Präferenzfall 0,434 €/kg Schlachtgewicht.

Die im „Mercosur“-Abkommen vorgesehenen 25.000 t Schweinefleischeinfuhren sind mit 0,1 % der EU-Verbrauchs kaum als markt- und preisstörend einzuordnen.

Brasilien: rückläufiger Geflügelfleischexport in die EU

Brasiliens Geflügelfleischlieferungen sind von 0,5 Mio. t im Jahre 2015 auf 0,31 Mio. t im Jahre 2018 gefallen. Der Importanteil ist von 57 auf 37 % gesunken. Argentinien erreicht nur knapp 1 % der 7.350 t kleinen EU-Importe. Zu einem bevorzugten Zollsatz von 15,4 % darf Brasilien bisher schon gesalzenes Hühnerfleisch bis zu einer Kontingentsmenge von 170.807 t liefern. Dazu kommt noch gekochtes Hühnerfleisch in einer Höhe von 73.000 t mit einem ermäßigten Zollsatz von 10,9 %. Für darüber hinausgehende Lieferungen gilt der allgemeine Zollsatz von 3,58 €/kg.

Im „Mercosur“-Abkommen wird eine Quote von 180.000 t Geflügelfleisch genannt, aber zu einem deutlich herabgesetzten Zolltarif von 7,5 %. Gemessen an der Hähnchenfleischerzeugung in der EU beträgt der Anteil 1,5 %. Auf Mercosurseite sind es nur 1,2 %. Auch in diesem Falle wird bei einem tendenziell eher rückläufigen Gesamtimport ein Mengenaustausch zwischen den unterschiedlichen Zollkategorien stattfinden.

Überzogene Kritik

Die im „Mercosur“-Abkommen genannten zollbegünstigten Mengen haben weder einen quantifizierbar zusätzlichen Einfluß auf die Regenwaldproblematik noch „Überschwemmen“ sie den EU-Markt. Für die nächsten Jahre wird angesichts des ASP-bedingten Fehlbedarfs in China von rd. 15 Mio. t Fleisch der globale Fleischmarkt ohnehin leergefegt werden und sich ein höheres internationales Preisniveau einpendeln.

Aber auch das gilt: Importmöglichkeiten zu einem Zollsatz von 7,5 % können in marktkritischen Zeiten zum Zünglein an der Waage werden und zusätzlichen Preisdruck auslösen.

Noch viel Zeit: das ausgehandelte Vertragswerk wird zunächst einer juristischen Überprüfung unterzogenmit eine Dauer von erfahrungsgemäß 3 Jahren. Danach erst erfolgt die Ratifizierung der einzelnen EU.Mitglliedstaaten mit einer Dauer von 2 Jahren. Der Brexit wir das Gesamtverfahren nochmal verlängern.

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