Asamat
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

High-Level-Bild: Wie könnte es weitergehen mit der Staatsschuldenkrise

Laßt uns mal versuchen, ein High-Level-Bild zu entwerfen, welche möglichen Lösungen oder Weiterentwicklungen es geben könnte. Stellen wir uns beispielsweise vor, wir wären ein Berater von Frau Merkel mit dem Auftrag, eine Studie über mögliche Lösungwege zu erstellen. Oder wir wären ein Diktator eines fiktiven, aber europäischen Staates (also jemand, der keine Rücksicht auf Wahlkämpfe oder Parlamente nehmen muß).

Versuchen wir, von den täglichen Fernsehbildern und -3% im DAX zu abstrahieren: was ist in zehn Jahren im Rückblick noch relevant? Ich denke, folgende Aussagen werden auch in den kommenden Monaten und Jahren nicht umgestoßen werden. Mit ihnen als Grundlage könnte man versuchen zu erraten, was passieren kann und was nicht.

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1) Der Euro wird nicht "zerbrechen".

Wie immer auch "Zerbrechen" aussehen sollte. Die Konstruktion des Euro war und ist eine politische Entscheidung, keine wirtschaftliche. Daher kann ein Zerbrechen der Euro oder ein Verlassen eines Landes nur eine politische Entscheidung sein. Märkte oder Spekulanten haben keine Möglichkeit, ein Zerbrechen des Euros zu erzwingen (oder? Wie sollten sie es können?). Für jedes einzelne Land in Schwierigkeiten ist das Verlassen des Währungsraumes in jedem Fall eine schlechtere Option als das Verbleiben. Daraus folgt, daß niemand freiwillig geht. Und da niemand ausgeschlossen werden kann, wird kein Land den Währungsraum verlassen.

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2) Default mit Haircut ist die einzige Möglichkeit, die den Griechen bleibt.

Offensichtlich können die Griechen ihre Schulden nicht abtragen, und nach 1) auch nicht entwerten. Bleibt der Default als einzige Möglichkeit. Was sonst? Das hat zwei Auswirkungen: zum einen werden die Bilanzen der Gläubigerbanken belastet (das ist ja eine der Begründungen für die Hilfe). Zum anderen werden die Steuerzahler in DE und anderswo für ihre Garantie der Griechenlandkredite geradestehen müssen.

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3) Die Hilfe für Griechenland und andere europäische Staaten wird noch viel teuer werden, ...

Für die Griechen sind nur zwei, drei Jahre gewonnen, dann stehen wir wieder auf "Start" in der gleichen Situation wie jetzt. Andere gefährdete Länder werden die hohen Zinsen ebenfalls nicht ohne Hilfe bezahlen und gleichzeitig ihre Schulden abtragen können.

Problem ist, daß noch nie irgendwo ein Defizit eines Staatshaushaltes durch Sparen verringert wurde. Das Defizit steigt, weil Staats-Sparen Wirtschaftswachstum kostet und die Steuereinnahmen zurück gehen. Defizite in Staatshaushalten in einige Male durch Wirtschaftswachstum verringert wurden. Das klappt nicht konsistent und verläßlich, es gibt auch genug Gegenbeispiele, aber es ist das einzige, was überhaupt irgendwo funktioniert hat. Durch Sparen geht es jedenfalls garantiert nicht.

Die trotz "Rettungspaket" steigenden Zinsen der betroffenen Länder zeigen, daß der Markt das genauso sieht.

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4) ... und wir werden sie leisten.

Ist es darum falsch, ihnen jetzt zu helfen? Nein. Ob man will oder nicht, wir leben in Europa und sind Europäer. Wir sind auch (noch) Deutsche und leben in Deutschland, aber international hat Deutschland kein Gewicht mehr. Nur im Verbund von ganz Europa haben wir politisch wie wirtschaftlich überhaupt eine Chance, unsere Interessen bei und gegen USA, China und Indien durchzusetzen. Von den zwei Wegen
- Deutschland schließt seine Gedanken und Grenzen und besinnt sich auf sich selbst, zum Teufel mit den Griechen, und
- wir gestalten Europa und damit unsere Zukunft
kommt in der Realität nur einer in Frage. Dieser Logik werden sich weder Deutschland noch andere Euro-Länder noch die Nicht-Euro-EU-Länder entziehen können. Darum werden auch z.B. Litauer bezahlen, (die es sich eigentlich nicht leisten können), und darum kann sich z.B. die SPD nicht verweigern.

Ironischerweise könnte es sein, daß die Schuldenkrise mehr zum weiteren Voranschreiten der europäischen Einigung beiträgt, als alle diesbezüglichen Gipfel der letzten Jahre. Auch die Abgabe von weiterer Souveränität von den Mitgliedstaaten zur EU (Richtung Superstaat) ist wieder denkbar, was vor zwei Jahren noch völlig out schien.

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5) Die EZB wird Geld drucken wie die Fed.

Wo wird das Geld her kommen, wenn die Staaten gemeinsam nicht genug aufnehmen können? Mir fallen spontan lediglich zwei Möglichkeiten ein, nämlich entweder den freien Geldfluß einzuschränken, oder Geld zu drucken. Von den beiden Alternativen scheint mir die zweite viel leichter durchsetzbar, daher wird sie passieren. Erstens gewinnen dabei viele, während die Verlierer der Maßnahme keine Lobby haben und keinen Wiederstand leisten. Zweitens liegt es sowieso im langfristigen Interesse aller Staaten, ihre Schulden wegzuinflationieren. (Hier meine ich nicht nur die bereits aufgenommenen Schulden, die zur gegenwärtigen Krise führten, sondern vor allem auch die langfristigen, bisher buchhalterisch totgeschwiegenen Schulden wie Renten, Pensionen, Sozialleistungen.)

Wenn etwas im Interesse aller Staaten und aller Politiker ist, wird es auch passieren. Wir werden sehen, wieviel die von Ronin noch vor einigen Wochen gerühmte politische Unabhängigkeit der EZB wert ist. Nichts, aber das ist dann auch richtig so. Wenn die Wahl letztendlich nur zu bestehen scheint zwischen
- Geldwertstabilität und Schrumpfen der Wirtschaft einerseits, oder
- höhere Inflationsraten mit Wirtschaftswachstum andererseits,
ist die Wahl für mich klar.

gautama2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Envelo [#101]
"Wenn du das glaubst, dann bist du ein Schwachkopf."

Bis auf solche Sätze finde ich deine Postings eigentlich lesenswert und ich würde mich auch fundiert in solche Diskussionen einklinken, wenn ich wüsste, dass ich solche Sätze nicht plötzlich gegen mich gerichtet sehe. Nur mal so als Hinweis.

Viele Grüße

dhp05
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ AAA [#100]

Das ist ja ein netter, der Herr Ford;-)

Zitate aus dem Ford Text:

"Jeder Gewinn sollte erst nach der Produktion kommen, nicht vorher"
"Geld an sich ist überhaupt nichts wert"
"Sein einziger Nutzen (der des Geldes) liegt darin, dass es sich zum Ankauf oder zur Herstellung von Werkzeug gebrauchen lässt"

Ein Gewinn soll also für Ford schon auch dabei herausspringen, beim Produzieren. Üblicherweise hat er seine Autos gegen Geld getauscht. Seinen Gewinn rechnet er in Geld ab.

Einen Gewinn wird er wohl auch dem zusprechen, der die Werkzeuge produziert, die er ihm mit Geld abkauft.

Geldbesitzer können ihm die Autos abkaufen, so wie er mit Geld die Werkzeuge ankaufen kann.

Und dieses Geld soll an sich nichts wert sein? Warum hat er dann seine Autos gegen Geld getauscht?

Es ist doch umgekehrt:

Jede Produktion ist nichts wert, wenn sie dem Produzenten nicht abgekauft wird (üblicherweise mit Geld).

Asamat
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ gautama2 [#102]
Klink Dich ruhig ein. Mit Beleidigungen sagt man nie etwas über den anderen aus, immer nur über sich selbst.

gautama2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ dhp05 [#103]
"Jeder Gewinn sollte erst nach der Produktion kommen, nicht vorher"

Ich glaube er meinte damit den Gewinn des in die Firma investierten Kapitals. Anstatt von vornherein 4-x% zu verlangen, weil das Geld dies ja woanders erhalten würde, kann man das deshalb nicht einfach von der Unternehmung verlangen, indie man investiert. Entweder man ist vorher sicher, dass man höhere Gewinne aufgrund der Unternehmung macht, oder man investiert lieber woanders. Wieviel Geld wert ist, erkannt man erst, wenn man die Gewinne aus der Unternehmung sieht,in die man investiert hat.

Mehr wollte er wohl nicht damit sagen, auch nicht, dass Geld an sich prinzipiell nichts wert ist. Nur der Wert der Investition misst sich am erzielten Gewinn und nicht daran was man woanders bekommen hätte. Darüber sollte man hinterher nicht mehr jammern sondern vorher rechnen und am Ende bleibt immer noch ein unternehmerisches Risiko.

benedikt54
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Envelo [#101]

Das mit dem Schwachkopf wollen wir mal sein lassen, denn Ronin ist alles andere als das.

Wo ich aber übereinstimme liegt in der Tatsache das ewiges Wachstum nicht möglich ist.

Wachstum ist im übrigen gleichzusetzen mit Zins und Zinseszinszahlungen.

Auch die sind nur in der Theorie ewig möglich, wie ASAMAT auch mal so schön ausführlich dargelegt hat, dazwischen liegen Kriege, Seuchen, Kathastrophen und vieles mehr.

Auch in der Natur wird jedes überpropotinales Wachstum eleminiert. Keine Species kann sich unbegrenzt vermehren.

Ronin
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Envelo [#101]

Ich verstehe, daß es sich um eine Exponentialfunktion handelt. 4 % jährliches Wachstum bedeutet eine Verdoppelung alle 18 Jahre, also eine Vervierfachung nach 36 Jahren, eine Verachtfachung nach 54 Jahren. Schließlich bin ich kein Schwachkopf :-).

Aber wer hat je behauptet, daß unsere Wirtschaft für immer exponentiell wachsen kann oder muß?

Ich vermute, Du verwechselst den Nominalzins mit dem Realzins und das Bruttosozialprodukt mit dem Vermögen einer Volkswirtschaft und gehst außerdem davon aus, daß das Vermögen einer Volkswirtschaft identisch sein muß mit der Summe aller Forderungen und daß das Vermögen einer Volkswirtschaft nur aus materiellen Werten besteht oder bestehen muß. Dann kommt natürlich ein beunruhigendes Ergebnis heraus.

These 1 von Posting #39 stellt Japan als Blaupause zur Diskussion. Japan ist eine sehr reiche, hoch entwickelte und überreife Volkswirtschaft und auch eine vergleichsweise alte Gesellschaft mit einer monströsen Staatsverschuldung. Japan hatte mal hohe Zinsen und Wachstumsraten, aber heute hat Japan Zinsen zwischen 0 und 0,5 % und kein nennenswertes Wachstum. Ich bitte um Diskussion, ob dies die zwangsläufige Zukunft aller Volkswirtschaften darstellt, aus strukturellen und psychologischen Gründen. Falls ja, hätte sich Dein Thema, lieber Envelo, weitgehend erledigt, und die ganze Aufregung auch.

AAA
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ dhp05 [#103]
Das ist ja ein netter, der Herr Ford;-)
Gell :)
Gautama hat ja schon was gesagt... Die einzelnen Punkte verstehe ich so:

"Jeder Gewinn sollte erst nach der Produktion kommen, nicht vorher"
Einen Gewinn wird er wohl auch dem zusprechen, der die Werkzeuge produziert, die er ihm mit Geld abkauft.

Tut er das nicht?

"Geld an sich ist überhaupt nichts wert"
Geldbesitzer können ihm die Autos abkaufen, so wie er mit Geld die Werkzeuge ankaufen kann.

Damit meint er wohl:
Im praktischen Gebrauch ist Geld ein Zwischentauschmittel, das sich von anderen Tauschmitteln dadurch unterscheidet, dass es nicht unmittelbar den Bedarf eines Tauschpartners befriedigt, sondern auf Grund allgemeiner Anerkennung zu weiterem Tausch eingesetzt werden kann. http://de.wikipedia.org/wiki/Geld

"Sein einziger Nutzen (der des Geldes) liegt darin, dass es sich zum Ankauf oder zur Herstellung von Werkzeug gebrauchen lässt"
Und dieses Geld soll an sich nichts wert sein? Warum hat er dann seine Autos gegen Geld getauscht?
Ist für mich oben beantwortet. Aber seine Frage ist doch berechtigt: Warum sollte auf Geld (Zwischentauschmittel) das an sich keinen eigenen Wert hat, Zinsen zahlen? Jeder der ein Auto, oder sonst ein Produkt kauft, zahlt auch diese Geld-Zinsen, die der Produzent auf den Produktpreis draufschlägt.

Es ist doch umgekehrt:
Jede Produktion ist nichts wert, wenn sie dem Produzenten nicht abgekauft wird (üblicherweise mit Geld).
Ich würde sagen, sowohl als auch. Es stimmt natürlich, dass eine Produktion auch relativ bewertet werden kann. Das klassische Bsp. mit dem Kühlschrank am Südpol. Ein Produkt am falschen Ort ist weniger wert, als an einem Ort, wo es zB. dringend gebraucht wird. Ich erinnere mich noch, wie im Winter in St. Petersburg auf der Straße das Speise-Eis einfach so verkauft wurde.

Asamat, das mit dem "intellektuellen Sport" [#100] war nicht auf dich bezogen.

gautama2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ AAA [#108]
"Warum sollte auf Geld (Zwischentauschmittel) das an sich keinen eigenen Wert hat, Zinsen zahlen? "

Man könnte aber argumentieren, dass Geld ein Potential zur zukünftigen Bedürfnisbefriedigung darstellt. Derjenige muss diese "Bedürfnisbefriediger" also nicht sofort erwerben um sie für späteren Gebrauch einzulagern. Somit entlastet es jemand von der Notwendigkeit Warenlager zu führen und Lagerkosten sowie das Risiko der Verderblichkeit oder technischen Veraltung zu haben. Ein bisschen von diesen eingesparten Kosten kann man ja dann wohl verlangen.

rodeonrwdeo
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ AAA [#100]

"UND ethische Grundsätze"

wozu taugen solche Grundsätze im Wirtschaftsleben?

Envelo
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Ronin [#107]

Du hast das indirekt behauptet. Du hast suggeriert, dass Geldmenge und Realwirtschaft im Gleichschritt wachsen könnten. So würde es theoretisch weder zu Inflation noch zu systembedingten Defaults kommen, wie von dir in [#98] dargestellt. Tatsächlich kann die Realwirtschaft aber nicht mit dem benötigten Wachstum der Geldmenge mithalten. Die Realwirtschaft kann eine Zeit lang exponentiell wachsen, aber nicht auf Dauer. Hier kommt es zwangsläufig zu immer größeren Abweichungen, die irgendwann beseitigt werden müssen.

Mögliche "Lösungen" hierfür sind Inflation, Haircuts, Defaults oder Komplettzusammenbruch. Und genau diese Probleme sind systembedingt. Es liegt daran, dass unser Schuldgeld nicht permanent zirkuliert, sondern immer wieder mit Zinsen ausgeliehen werden muss. Zinsen für einen Kredit müssen aus anderen/neuen Krediten zurückbezahlt werden. Ohne Schulden hätten wir kein Geld. Die Schulden plus Zinsen übersteigen immer die vorhandene Geldmenge. Eine vollständige Rückzahlung ist unmöglich.

Japan bezahlt nicht 0,5% für seine Staatsschulden, sondern ein Vielfaches. Und wenn eine so billige Finanzierung mal nicht mehr möglich sein sollte, ist das Land bankrott. Dann ist eine Art Reset fällig, und zwar systembedingt. Dir fällt überhaupt nicht mehr auf, wie es sein kann, dass ein so reiches Land so hoch verschuldet ist. Es liegt am Geldsystem.

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