Richard Ebert
Member for 10 years 9 months

Recht und Steuern: Daytrading ist kein Gewerbe

Soeben entschied der Bundesfinanzhof, daß auch ein umfangreicher An- und Verkauf von Optionen zur privaten Vermögensverwaltung gehört (Az: X R 1/97).

Dies bedeutet, daß der Privatanleger keine Gewerbesteuer zu zahlen hat, aber auch etwaige Verluste nicht bei der Einkommensteuer gegen Einnahmen aus seinem Hauptberuf aufrechnen kann. Damit ging der Bundesfinanzhof über seine bisherige Rechtssprechnung hinaus.

Den technologischen Fortschritt, beispielsweise dem Daytrading, müsse Rechnung getragen werden. Da geschäftsrelevante Informationen zunehmend auch privaten Anlegern zugänglich wären, sei auch ein eigenes Büro kaum noch als Indiz für einen gewerblichen Geschäftsumfang zu werten.

Im aktuellen Fall lehnte es das Gericht ab, Verluste in Höhe von DM 400.000 eines Betreibers einer Versicherungsagentur anzuerkennen. Weder aus der Höhe der Summe noch den gehandelten Werten ergäbe sich das Bild eines professionellen Händlers, zumal die Größe des Privatvermögens generell zunehmen. Ebensowenig spricht für einen Gewerbebetrieb, daß der Kläger mit Call-und Put-Optionen gehandelt habe.

Spekulationsgewinne und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften innerhalb eines Jahres bleiben von diesem Richterspruch unberührt.

Leo1971
Member for 10 years 9 months

Hat eventuell jemand noch weitere oder neuere Urteile des BFH ob Daytrading in Aktien - auch in hohem Umfang, ca. 100 Trades/Tag - als Gewerbe anzumelden ist ? Oder wird das ganze wie oben beschrieben weiterhin als Privatvergnügen angesehen ?

Da ich plane, zum Broterwerb Daytrading zu betreiben, ist dies derzeit eine der wichtigen Fragen, die mich bewegen. Über ein wenig Hilfe diesbezüglich würde ich mich sehr freuen !

Beste Grüsse, Leo

Gast

Da gabs mal im letzten Jahr einen langen Thread über das Thema. Fazit: solange keine Kundengelder verwaltet werden, solange keine (BaFin-pflichtige) Firma gegründet wird, ist das private Vermögensverwaltung. War bei mir so, und bei allen so, wenn ich mich recht erinnere. Finanzamt kommt da nicht durch mit Gewerbesteuer.

Gruß,
Berliner

Marzell
Member for 10 years 9 months

Hallo,

in schweizerischen Kantonen haben die Trader zur Zeit ihre liebe Not. Dort ist man schneller gewerblich, als man "kaufen Sie 1000 Novartis" sagt. Die Rechtsprechung urteilt dort gegen jegliche bisherige Praxis meist gegen den Trader. In vielen Artikeln in der NZZ und F&W ist darüber darüber berichtet worden.

Aber davon scheinen im Forum nur wenige betroffen zu sein.

Grüße
Albert

Richard Ebert
Member for 10 years 9 months

@ Leo1971

Im Forum Spezial gibt es eine Rubrik 'Recht und Steuern', vielleicht sehen Sie dort rein.

Kobban
Member for 10 years 9 months

Daytraden ohne Gewerbesteuer - Selbst Anleger, die mehrere tausend Mal im Jahr Wertpapiere kaufen und verkaufen, handeln nicht unbedingt gewerblich. Wer nur eigenes Geld einsetzt, muss auf die Gewinne nicht unbedingt Gewerbesteuer zahlen.

Von Tobias Kaiser

(12.11.07) - Selbst umfangreiche Wertpapiergeschäfte an in- und ausländischen Börsen können als private Vermögensverwaltung betrachtet werden, so dass die Gewinne aus dieser Tätigkeit zwar der Einkommensteuer, nicht aber zusätzlich der Gewerbesteuer unterliegen. Das entschied jetzt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az.

(Quelle und ausführlich weiter lesen: http://www.boerse-online.de/steuern-recht/aktuell/492953.html)

---------

Pressemitteilung Finanzgericht Berlin-Brandenburg:

Daytrader nicht zwingend gewerblich tätig

Umfangreiche Wertpapiergeschäfte an in- und ausländischen Börsenplätzen stellen nicht stets eine gewerbliche Tätigkeit dar, sondern können u.U. als private Vermögensverwaltung anzusehen sein, so dass zwar die Gewinne aus dieser Tätigkeit der Einkommensteuer, nicht aber zusätzlich der Gewerbesteuer unterliegen. Das entschied jetzt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 29. August 2007 (Aktenzeichen 3 K 5109/03 B).

Im Streitfall hatte ein gelernter Bankkaufmann außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit und neben einem Studium der Rechtswissenschaft in erheblichem Umfang und mithilfe hochleistungsfähiger Computer, spezieller Tradingsoftware und entgeltlichen Börseninternetinformationsdiensten bis zu 11 000 mal jährlich Wertpapiere erworben und am selben Tag wieder verkauft (day trading).

Das Finanzamt sah die Tätigkeit des Klägers als ein eigenständiges gewerbliches Unternehmen an und erhob auf die Gewinne nicht nur Einkommensteuer, sondern auch Gewerbesteuer. In diesem Punkt gaben die Richter jedoch dem Kläger recht. Ob ein gewerbliches Unternehmen oder nur private Vermögensverwaltung vorliegt, ist nach der allgemeinen Verkehrsanschauung zu entscheiden, und die sprach nach Auffassung des Finanzgerichts für eine nur private Tätigkeit des Klägers, denn das An- und Verkaufen von Wertpapieren – selbst in so professioneller Weise wie im zu entscheidenden Fall und unter Ausnutzung von beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten – stelle eine übliche, jedermann offenstehende Form der Vermögensverwaltung dar.

Der Kläger habe insbesondere kein Finanzdienstleistungsunternehmen betrieben, da er nicht für andere, sondern nur im eigenen Namen tätig geworden sei, und er sei auch nicht als ein sonstiges Finanzunternehmen anzusehen, weil er weder über eine Zulassung zum Besuch einer Präsenzbörse oder zur Teilnahme am Börsenhandel noch über die Erlaubnis zur Teilnahme am Börsenhandel in einem elektronischen Handelssystem einer Wertpapierbörse verfügt habe. Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, so dass in letzter Instanz der Bundesfinanzhof in München zu entscheiden hat (Aktenzeichen X R 38/07).

http://www.finanzgericht.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=bb2.c.439859.de&template=seite_fgcb_pressemit

Gast

@ Kobban [#6]

unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens eröffnet die Interpretationsmöglichkeit des einen Finanzamts nun auch den umgekehrten Weg!
Wer also bisher Schwierigkeiten hatte, sein persönliches Trading als gewerblich einordnen zu lassen, der kann nun beim FA um "Feststellung" ersuchen.

Auch wenn der Student im genannten Fall scheinbar kein Interesse am gewerblichen Trading hatte, gibt es sicher auch Fälle, wo es unabhängig von Verlustverrechnung steuerlich sehr wohl Sinn macht, die Gewinne vor Steuern um sämtliche Netto-Kosten zu reduzieren.
Ausreichend Gewinn und "Kosten" vorausgesetzt, ist die Gewerbesteuer auf den Restgewinn (und nach Abzug des GW-Freibetrags von ~23TEUR) besser als das "Brutto" zahlen der Mehrwertsteuer und Einkommenssteuer auf alle sonst gewerblich möglichen abzugsfähigen Kosten)

Steuerberater und Rechtsanwälte wollen ja auch ihre Daseinsberechtigung haben, also wende man sich vertrauenvoll an diese und lasse sich beraten...

scorpion260
Member for 10 years 9 months

@ TimeTrade [#7]

Warum eigentlich Gewerbe? Ist ein Daytrader ein Gewerbetreibender? Ein Arzt, ein Architekt, ein Künstler ist doch auch kein Gewerbetreibender, sondern Freischaffender.
Hat denn der Daytrader eine Gewerbeanmeldung?! Das ist doch wieder mal Blödsinn.

Gast

@ scorpion260 [#8]

..."wieder mal Blödsinn"... Sorry, ich lebe recht gut durch diesen "Blödsinn".

Ok, 1/3 meiner Einnahmen stammen auch aus Beratungs-&Projekttätigkeiten, aber zu 2/3 lebe ich vom Ertrag meines Tradings.

Mein FA erkennt schon länger mein Trading als Bestandteil meiner gewerblichen Aktivitäten an. Für mein Auto versteuere ich Privat 1%/Monat und bezahle vom Sprit bis zur Werkstatt alles Netto übers Gewerbe. IT&TK verstehen sich von selbst zu 100% gewerblich (zusätzlich privat ein PC & ein Telefon hab ich auch:). Gewerblich anteilige Miete und Nebenkosten für meine "Geschäftsräume" ist viel einfacher und unkomplizierter als ein "privates Arbeitszimmer".

Hauptsächlich wegen der Rechtsberatungs und Buchhaltungskosten mache ich das als KG. Ich Vollhafter, Steuerberater und Rechtsanwalt Komanditisten mit kleiner Beteiligung. So kann ich meine Beratungs- & Verwaltungskosten unabhängig von Gebührenordnungen pauschal als Gewinnzuweisung laut KG-Gesellschaftsvertrag an diese regeln. Für all meine Vorteile zahle ich gerne IHK und Bilanzkosten. Gewerbesteuer ist eigentlich ein Nullsummenspiel, denn das was über 23KEUR effektiv Gewinn noch anfällt, wurde ungefähr vorher bei Kosten per MwSt-Erstattung eingespart. Steuerlich ist der KG-Gewinn ja letztendlich einkommenssteuerseitig simpel privat zu versteuern.

Ich kenne noch 2 Leute, die "traden" auch gewerblich. Einer musste damals wegen seines FA unbedingt noch eine weiteres Geschäftsfeld angeben. (im Sinne von "Systementwicklung" und "Beratung", damit er seinen "Eigenhandel" als "betriebsnotwendige" Tätigkeit voll anerkannt bekam.

Genau für solche Fälle ergibt die Ansicht des oben genannten Finanzamts eine Vereinfachung der Gewerbeanmeldung !

Ob man das so machen will, das muss jeder selbst entscheiden. Ich nehme lieber den aufwendigen, dafür aber sicheren und allseits "bekannten" Weg.
Als Freischaffender "Trader" auf der Visitenkarte zu haben, wäre mir nichts.
Bei mir steht da meine KG und "Inhaber". Das ist im Alltag und im Geschäftsleben allseits akzeptiert und seriös. (es geht aus meiner Sicht niemand etwas an, wo mit ich real meine Brötchen verdiene... Jemand der sich direkt "Trader" nennt, hat in D einfach kein gutes öffentliches Ansehen)

=> mancher "Blödsinn" hat durchaus Sinn ;)

BrokerMaster II
Member for 10 years 9 months

Man darf nicht vergessen, das dem Steuerpflichtigen bis einschließlich 2007 das 1,8 fache des Gewerbesteuermessbetrages, ab 2008 das 3,5 fache bei der Einkommensteuer angerechnet wird. Man zahlt zwar die Gewerbesteuer an die Gemeinden, bekommt aber einen Teil bei der Einkommensteuererklärung wieder angerechnet.

Schlumpf007
Member for 10 years 9 months

scorpion260 [#8]

"Ein Arzt, ein Architekt, ein Künstler ist doch auch kein Gewerbetreibender, sondern Freischaffender."

Es gibt extra einen "amtlichen Katalog" von Berufen, die "freischaffend" einzuordnen sind und "Basta". Bei Unklarheiten wird dann vorgegangen nach "Einzelfallprüfung" - und man kann sich durchaus viele viele Jahre lang vor Gericht streiten mit der Finanzverwaltung.

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