Börsenkurse: Aussichten auf neue Ernten werden nachdrücklicher
Mit dem Fortgang des zu Ende gehenden Getreidewirtschaftsjahres nimmt der Einfluß der zukünftig erwarteten Versorgungslage auf die Preise zu. Die Einschätzungen der Überlagerungsbestände können zunehmend zuverlässiger in die Preisbildung eingebunden werden. Dennoch spielt das Wetter und die Politik eine bedeutende Verunsicherungsrolle.
Die Aufwärtsbewegungen beim Weizen lassen nach. Ein ausschlaggebender Grund sind die weltweit hohen Vorratsbestände. Die ohnehin schon hohe Lieferfähigkeit Russlands hat durch den Kaufkraftverlust des Rubels nochmal zugenommen. Das drückt aktuell auf die Kurse.
Die in den nächsten Monaten anstehenden Weizenernten werden weniger hoch gehandelt. In den USA wird trockenheitsbedingt mit einem nochmals schwächeren Ergebnis beim Winterweizen gerechnet. Sommerweizen soll sich dagegen etwas günstiger entwickeln. Die Auswirkungen der kältebedingt verzögerten kanadischen Weizenaussaat wird in der nächsten Woche vom statistischen Amt Kanadas bekanntgegeben.
Die EU-Weizenernte wird von den verschiedenen Institutionen zwischen 148 bis 155 Mio. t auf knapp bis gut durchschnittlichen Niveau geschätzt. Die Wiederholung der vorjährigen Rekordernte wird in Russland nicht erwartet; aber ein gut durchschnittliches Ergebnis von 105 Mio. t wird vorausgesagt. In China wird in diesem Jahr mit einer geringeren Weizenernte gerechnet. Indien wird voraussichtlich weiterhin auf Importe angewiesen bleiben. Die Exportländer auf der Südhalbkugel spielen mit ihren Nachwirkungen der Trockenperioden vorerst keine entscheidende Rolle.
Die Maiskurse zeigen deutlich stärkere Auf- und Ab-Bewegungen. Die Versorgungslage aus alter Ernte fällt deutlich geringer aus im Vergleich zum Weizen bzw. den Vorjahren. Die geringeren Überlagerungsbestände sorgen für ein gehobenes Notierungsniveau.
Preisunterstützung kommt aus Brasilien, wo der Mais im Zweitfruchtanbau zurzeit an Wassermangel leidet. Das Ausmaß möglicher Ernteeinbußen ist allerdings vorerst nicht abschätzbar.
Zunehmende Aufmerksamkeit wird den Aussaatbedingungen des weltgrößten Erzeugungsgebietes USA gewidmet. Be- und verhinderte Bestellungen wegen Nässe im Süden und Kälte im Norden werden relativiert mit den Hinweisen, dass man sich noch früh in der Aussaatphase befindet und die Maschinenschlagkraft ausreichend groß sei, in wenigen Tagen und Wochen Verspätungen wieder aufzuholen.
Die ungewöhnlich hohen Temperaturen Mitte April haben hierzulande zu einer zügigen Aussaat geführt und sollten unter Voraussetzung fortgesetzt günstiger Wachstumsbedingungen zu einer größeren als bisher vorausgesagten Ernte beitragen. Aber bis zur Ernte sind noch einige Witterungsrisiken zu überstehen.
Die Getreidepreise geraten in den nächsten Wochen und Monaten zunehmend in den Sog der sog. Wettermärkte, die bekanntlich für weitere Volatilität sorgen. Die Spannungen der Handelsbeziehungen zwischen USA und China spielen im Getreidemarkt eine weniger wichtige Rolle.
ZMP Live Expertenmeinung
Der Getreidemarkt orientiert sich zunehmend auf die Einschätzung der kommenden Versorgungsentwicklung bestehend aus Überlagerungsbeständen, kommenden Ernten und Verbrauchszunahmen. In der grundlegenden Tendenz wird von steigenden Kursen ausgegangen. Vorübergehend wirken sich aktuelle Ereignisse bei der Witterung und der Politk bei den Kursschwankungen aus.