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Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

* Technische oder Fundamentale Analyse - was ist besser ?

Ciao

Franjo

Ronin
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Norden-Trader

Wg. Allianz-Kapitalerhöhung:

Ein guter Unternehmer in der Finanzbranche hat immer Verwendung für zusätzliches Eigenkapital, vor allem wenn das vorhandene so winzig ist im Vergleich zur Bilanzsumme wie das der Allianz auch schon in 2000. Ihm wird in einer Situation wie 2000 ZUMINDEST klar sein, daß es ein wesentlich besseres Geschäft und obendrein völlig risikolos (!) ist, weitere Aktien des eigenen hochbewerteten Unternehmens zu verkaufen, als die Aktien eines anderen hochbewerteten Unternehmens (Dresdner Bank) zu kaufen.

Im Gegensatz dazu brachten Deutschlands angeblich bester Manager Schulte-Noelle und Deutschlands angeblich bester Investmentbanker Achleitner an der Spitze von Deutschland damals mächtigstem Finanzkonzern das einsame Kunststück fertig, die Aktien der Dresdner Bank trotz einer Due Diligence, die eine supergründliche Fundamentalanalyse hoch drei ist, nahe dem Höchstkurs zu kaufen, um dann erst im Verlaufe der folgenden zwei Jahre festzustellen, daß man sich durch diesen Deal viele Milliarden an faulen Assets und atemberaubende Management-Probleme eingekauft hat, und schließlich als Krönung die Aktien des eigenen Unternehmens zum absoluten Dumping-Preis zu verkaufen. Dies alles auf der Grundlage strategischer und fundamentaler Überlegungen eines ganzen Heeres von formal hochqualifizierten Managern, Analysten, Wirtschaftsprüfern und Controllern. Kein Mittelständler mit Volksschulbildung und gesundem Geschäftssinn hätte eine solche Tölpelei zustande gebracht.

@ Börsenfanatiker

Ich fürchte, hier bestehen einige Mißverständnisse, wenn ich lese, daß der Nikkei "charttechnisch schwer angeschlagen" war und jetzt wider alle Regeln doch gestiegen ist. Keiner meiner Lehrmeister hat je einen Chart in dieser Weise charakterisiert. Das bleibt den Charttechnikern in den Banken und Redaktionen vorbehalten, die aus dem Chart die Zukunft erkennen wollen, was natürlich unmöglich ist.

Ich habe nie einen Top-Trader kennen gelernt, der mit herkömmlicher Charttechnik arbeitet und damit Prognosen erstellt oder subjektive oder emotionale Kommentare zu einem Chart abgibt. Fast alle verwenden Handelssysteme, entweder als Computerprogramm oder als einen umfassenden Satz niedergeschriebener und verbindlicher Regeln. Ein Handelssystem ist entweder long, short oder flat. Dies hängt von einem (meistens gar nicht sehr komplizierten) Algorithmus ab und ist nicht weiter interpretierbar. Ein Handelssystem kommt niemals zu einem anderen Ergebnis als long, short oder flat. Lediglich die Positionsgröße wird von manchen Systemen mit dem Trend ausgebaut.

Ein Handelssystem kann heute short und morgen long sein. Oder umgekehrt. Es hat keine Überzeugung. Und über die Zukunft macht es keine Aussagen. War das Signal falsch (dies sind je nach System 50 bis 65 %) wird sehr schnell glatt gestellt. Ansonsten läßt man die Position laufen und laufen. Aber keine Kommentare, keine Prognosen, keine Meinungen, keine Überzeugungen, kein Streit. Mathematik ist außerstande, etwas zu produzieren, was "schwer angeschlagen" oder "ausgesprochen bullish" ist. Ich bin sogar anfangs trainiert worden, ohne Charts, nur mit den Kursdaten zu traden. Open, High, Low, Close, und davon abgeleitet 15-day-ATR, das war alles, was ich bekam. Hat auch funktioniert. Und jegliche Meinungsbildung und Emotionen minimiert.

Ronin
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Der heutigen Tageszeitung entnehme ich, daß sich in der Bilanz von Parmalat völlig überraschend für die gesamte etablierte Finanzwelt ein Loch von 10 Milliarden Euro auftut. Das Geld sei verschwunden. Geschädig sei u.a. auch die Deutsche Bank.

Erinnert mich an Enron. Ich gehe davon aus, daß Parmalat seit Jahren Gegenstand zahlreicher hochqualifizierter Fundamentalanalysen war, die allesamt das Wesentliche, nämlich das Riesenloch, übersahen. Offenbar auch die Analysten der allwissenden und allmächtigen Deutschen Bank und der zahlreichen Kreditgeber von Rang und Namen.

Wenn ich mir den Chart von Parmalat anschaue, kann ich konstatieren:

Ein simples 20-day-breakout-Handelssystem ohne jeden Schnickschnack, das nicht einmal weiß, was eine Bilanz überhaupt ist, hätte im August nahe dem Jahrestop eine Longposition in Parmalat glattgestellt und wäre short gegangen - mit immensem Profit.

Global_2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Sicher gab es irgendwelche Sell-Side Analysten, die Parmalat noch in der Öffentlichkeit anpriesen, vielleicht weil ihre Arbeitgeber noch Bestände an den Mann oder die Frau bringen wollten.

Aber wurden die Probleme bei Parmalat nur ganz plötzlich sichtbar? Oder gab es bereits lange aus fundamentaler Sicht Warnzeichen und während der letzten Tage erfolgte dann nur eine dramatische Zuspitzung der Lage? Bei Enron, was ich allerdings nie selber beobachtet hatte, sollten die Probleme schon monatelang im Vorfeld erkennbar gewesen sein, z.B. weil der Cash-Flow nicht stimmte. Zudem war auch nicht nachvollziehbar, dass Enron in seinem neuen Geschäftsfeld Bandwidth-Trading tatsächlich Geld verdiente.

Auch am Neuen Markt gab es genug Beispiele, wo technisch orientierte Spekulanten unter weitgehender Ausblendung der Fundamentals noch munter zockten und auf zwischenzeitliche Rallys setzten, während aber eigentlich selbst bei oberflächlicher Betrachtung hinreichend klar war, dass sich hinter dem Unternehmen nicht viel mehr als heisse Luft verbirgt.

Ein Extrembeispiel war Comroad, hier war es z.B. in der W:O Community VIELE MONATE vor den Veröffentlichungen der Börse-Online Redakteurin bereits bekannt, dass bei Comroad der Cash-Flow überhaupt nicht stimmte und Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen explodierten. Ein klares Warnzeichen, eindeutiger ging es kaum; von mangelnder Plausibilität bei der Nachvollziehung des Geschäftes ganz abgesehen. Wer hatte tatsächlich schon mal ein Comroad-Gerät gesehen?

Nochmals zum Thema: Manipulation von Bilanzen vs. Manipulation von Charts. Selbst Joe Ross erwähnt klar, dass Charts in der Praxis manipuliert werden. In seinen Büchern spricht er, jetzt nur sinngemäss zitiert, wiederholt von "starken Händen, die Kurse in gewisse Richtungen bewegen, um andere Käufer zum long gehen zu bewegen".

An den indischen Börsen beispielsweise war "circular Trading" einflussreicher Brokerhäuser ein Thema Anfang der 90er Jahre und wurde verboten. An den westlichen Börsen ist dieses natürlich sicherlich ebenfalls verboten, aber es wäre kaum verwunderlich, wenn es nicht trotzdem in der täglichen Tagesordnung von den mächtigen Brokerhäusern durch Absprachen praktiziert würde, nur eben in einer Form, bei der man nichts nachweisen kann.

Global_2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Nochmal zu Parmalat: Die meisten Journalisten, gerade bei den Zeitungen, schreiben meist ohnehin nur ab, z.B. aus Agenturmeldungen, oder plappern einfach was nach.

Ich habe den Parmalat-Fall bislang nicht verfolgt. Man müsste hier beispielsweise wissen, in welcher Form genau das Loch plötzlich sichtbar wurde und inwieweit Gefahren vorher noch nicht oder schon erkennbar waren.

Solchen Fragen nachzugehen würde natürlich etwas Recherchearbeit erfordern, die aber auch bei den Wirtschaftszeitungen i.d.R. nicht geleistet wird.

Global_2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Zur Vermeidung von Missverständnissen: mit "dass der Cash-Flow nicht stimmte", ist von mir gemeint, dass dieser negativ war, es sich somit eine Diskrepanz zu den ausgewiesenen Gewinnen ergab. Oder anders ausgedrückt: aufgrund des schlechten Cash-Flows waren waren die Earnings nur von niedriger Qualität.

Zum Parmalat-Fall wären natürlich weitere Infos interessant, gerade inwieweit es im Vorfeld schon fundamentale Hinweise auf eine Krise gab. Waren Warzeichen z.B. von Privatanlegern auch bei nur oberflächlicher Betrachtung erkennbar gewesen? Z.B. ensteht eine Verschuldung ja nicht über Nacht ganz plötzlich.

Bei entsprechenden im Vorfeld sichtbaren Warnhinweisen, wäre es natürlich nicht verwunderlich, wenn von verschiedener Seite auch Kaufempfehlungen in der Öffentlichkeit ausgegeben worden sind. ;)

Norden-Trader
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

"Die Pusher stellen oftmals größere Orders in das Orderbuch, um andere Marktteilnehmer zu beeinflussen und zu unüberlegten Kurzschlußhandlungen zu verleiten ... oder weiter in eine Richtung zu treiben."

"Dank des Nachziehens seiner großen Kauflimite unterstützt er den weiteren Anstieg der Kurse, wobei er mittlerweile versucht, keine Fills mehr auf seine Kauflimits zu bekommen, da sein ursprüngliches Ziel ist, die Doppelboden-Chartisten auf die falsche Fährte zu führen und selber short zu gehen."

Zitate aus TRADERS Januar 2004, Seite 46. Erich Florek schreibt hier über ultrakurze Trades.

Muntere Spielchen zur Chartbeeinflussung, nicht?

Ronin
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Nochmals ganz langsam zum mitschreiben:

Top-Adressen haben bei Parmalat riesige Summen im Feuer. Bevor sie dieses Geld investierten, haben sie mit Sicherheit im ureigensten Interesse so gründliche und ehrliche Fundamentalanalysen erstellt, wie sie für die dummen Kleinanleger gar nie zur Verfügung gestellt werden. Ergebnis trotzdem: totale Bauchlandung der Top-Adressen. Offensichtlich war die Wahrheit über Parmalat bis vor kurzem nicht einmal für eine Fundamentalanalyse durch Insider erkennbar. Wie sollte da ein Kleinanleger durch eigene Fundamentalanalyse rechtzeitig Wind bekommen?

Wenn ich Charts erwähne, meine ich diejenigen, welche die Originaldaten der Börsen verwenden. Daß die Originaldaten der Börsen täglich auch dadurch zustande kommen, daß Marktteilnehmer versuchen, die Kurse zu beeinflussen, bedeutet nicht, daß die Charts manipuliert sind. Soviel Sorgfalt im Denken und Formulieren sollte man schon walten lassen. Die Charts bilden alles ab, auch die Versuche der Kursbeeinflussung. Deshalb sind sie ja so aussagefähig und verläßlich. Im Gegensatz zu den Bilanzen selbst von Weltfirmen.

Global_2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Ich kann den Fall nicht beurteilen, in den Agenturmeldungen klingt es jedenfalls so an, als ob Parmalat bereits in den 80er Jahren schon mal negativ hinsichtlich Bilanztricks aufgefallen war.

Offensichtlich war die Wahrheit über Parmalat bis vor kurzem nicht einmal für eine Fundamentalanalyse durch Insider erkennbar. Wie sollte da ein Kleinanleger durch eigene Fundamentalanalyse rechtzeitig Wind bekommen?

Wenn ein Konto plötzlich in Milliardenhöhe "verschwindet" und somit die in der Bilanz ausgewiesene Cash-Position gar nicht den Tatsachen entsprach, dann bringt natürlich auch jegliche Betrachtung von Finanzdaten, in der oberflächlichen Form wie sie ein Privatanleger durchführen könnte, nichts. Hier muss sich der normale Investor auf die Wirtschaftsprüfer verlassen.

Aber mit Warnzeichen im Vorfeld meinte ich eigentlich nicht das Verschwinden des Kontos, sondern was anderes: Wie sah es denn bei Parmalat operativ aus, hinsichtlich der operativen Profitablität, vor allem auch des Cash-Flows und der Entwicklung der Verschuldung? War wirklich alles überzeugend?

Warum war der Laden überhaupt verschuldet, obwohl man gleichzeitig eine Cash-Position in vermeintlicher Milliardenhöhe hatte? ok, jetzt wissen wir, dass der Cash in Wahrheit nicht existierte. Sah es operativ wirklich super aus, oder zeichneten sich bereits gewisse Probleme ab?

Mit Fundamentalanalyse meine ich gar nicht so sehr detailliertes Betrachten von Bilanzzahlen, sondern primär einfach ein grobes Verständnis des Unternehmens auf Basis von gesundem Menschenverstand. Wenn ein Unternehmen z.B. hoch verschuldet und gleichzeitig cash-flow schwach ist, warum denn dann überhaupt in dieses investieren oder sich hinsichtlich des Tradings mit diesem beschäftigen anstatt auf die finanziell solideren konzentrieren? Es gibt doch weltweit genug Aktien.

Global_2
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Ich habe mir eben die Presentation auf der Parmalat-Website "H1 2003 Results and Strategies" angeschaut. Die Kredite/Anleihen waren von S&P mit BBB-, Outlook Stable eingestuft.

Dieser spezifische Fall. plötzliches Aufdecken von Bilanzmanipulationen, ist meines Erachtens auch kein wirkliches Argument gegen eine Betrachtung von veröffentlichten Fundamentaldaten, sondern eher ein Argument für die Forderung, dass auch in Europa eine höhere Verlässlichkeit für die Investoren hinsichtlich der von Unternehmen publizierten Finanzdaten erreicht werden sein muss. In den USA wurde als Folge des Enron-Skandals ja die Regulierung drastisch verschärft und Arthur Andersen als schlampiger Wirtschaftsprüfer sogar zerschlagen.

Es wird ja oft angeführt, dass europäische Aktien niedriger als US-Aktien bewertet sind. Ein Grund ist eben auch, dass die Regulierung in Europa viel lascher als in den USA erscheint.

Norden-Trader
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

@ Ronin

man möchte sich nicht zwischen Ihren Formulierungen und denen von E. Florek entscheiden müssen.

Kursbeeinflussung zur Validierung einer Chartformation ist letztlich Chartbeeinflussung.

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